The Chap
Diese Band kann einem doch nur sympathisch sein: Wer seinen Tour-Irrsinn der breiten Öffentlichkeit im bandeigenen Blog zur Verfügung stellt, bekommt schon mal ein Daumen hoch für so viel Offenheit.
Wenn dieser Tour-Irrsinn dann auch noch darin besteht, "Lists with a difference" zu erstellen, um die langen Stunden auf den Straßen zu überstehen, gibt es ein aufrichtiges Hurray mit erhobenen Armen.
"Wir, eine gelangweilte Crew aus Anti-Prousts, die nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit sind, sondern sich wünschen, das Zeitgefühl zu verlieren, kennen den Horror, wenn man im Tour-Van keine Ablenkung findet", erklären The Chap in einem ihrer Beiträge. "Wir schaffen es, diesen Horror zu umgehen: Indem wir lustige und interessante 'Listen mit dem gewissen Unterschied' entwerfen."
Derlei Listen, die die Band mit der Homebase in London und Berlin in solchen Stunden kreiert, lesen sich wie folgt: "Sympathy For The Rectum (by the Rolling Rectum)". Oder: "Smoke On The Rectum (by Deep Rectum)". Auch nicht schlecht: "Ok Rectum (by Rectumhead)". Merkste was?
Der Nonsense-Humor der Briten, deren Sound eine pop-rockige Alternative-Mischung aus so ziemlich allen vorstellbaren Genres zusammen frickelt, gefällt. Auf ihrer Facebook-Seite lesen wir entsprechend unter der Rubrik "Band Interests": "Food & Booze". Klar, dass da knapp 2000 User den Like-Button gedrückt haben.
Zum Anbruch des neuen Jahrtausends finden sich die Vier in der britischen Hauptstadt zusammen: Keith Duncan, Panos Ghikas, Claire Hope und Johannes von Weizsäcker gründen The Chap. Dass Letzterer tatsächlich der Großneffe des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ist, setzt dem Skurrilitätsfaktor der Band die Krone auf.
Das Quartett verbindet der Wunsch, Musik zu machen, die "falsch klingt". Diesem Bedürfnis kommen sie mit ihren ersten Veröffentlichungen nach: 2002 releasen sie die EP "Fun", ein Jahr später kommt das Debütalbum "The Horse" auf den Markt.
Die Nachfolger-Platte "Ham" von 2005 ist, wie der Erstling, eine Schlafzimmer-Produktion. Lo-Fi-Sound haben sich The Chap ohnehin auf die Fahnen geschrieben: Ihr elektronischer Prog-Rock-Pop reißt Kritiker zu Lobeshymnen hin, "Ham" wird vom britischen Wire Magazin zum Album des Monats gekürt. 2006 beglückt die Combo Europa mit ihren wahnsinnigen Live-Perfomances, bei denen nicht selten Violinen oder Celli Explosionen zum Opfer fallen.
2008 nimmt die Band "Mega Breakfast" auf, das mit dem Track "Fun And Interesting" aufwartet. Dazu eine nette Anekdote von Keith Duncan: "Es gibt ein schönes Zitat vom Chef des britischen Senders Radio 2. Er sagte uns, er halte den Track für einen der 'perfektesten Songs', den er je gehört habe. Im Radio spielen wollte er ihn trotzdem nicht. Er meinte: 'Keine Chance, ich hänge zu sehr an meinem Job.'"
"Liebe und Tod und so Zeug" gibt es auf dem vierten Werk "Well Done Europe" (2010). Und nicht nur diese Scheibe widersetzt sich jeglicher Zuordnung und hüpft leichtfüßig über die Genregrenzen hin und her. Indietronic, Funk, Elektro und herrlich skurril-ironische Texte sorgen dafür, dass der Sound von The Chap keinen Stempel nötig hat. Die Schubladen bleiben zu.
© Laut
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