Kevin Coyne
Soviel steht fest: Er hatte einen eigenen Kopf. "Leute wie Neil Young oder Van Morrison halte ich für intellektuell tot. Die spielen brav mit in dem, das man Rockzirkus nennt. Bands wie die Mekons, die Sex Pistols oder die Ruts fand ich später viel aufregender", erklärte er in einem Interview.
Obwohl zu seinen Förderern Branchengrößen wie John Peel und Richard Branson zählten, bleibt Kevin Coyne Zeit seines Lebens eher ein Geheimtipp als ein Publikumsmagnet.
1944 in Derby im Herzen Englands geboren, begeistert er sich in seiner Jugend neben der Musik auch für die Malerei. Mitte der 60er Jahre arbeitet er erst als Kunsttherapeut in einer psychiatrischen Klinik, dann als Sozialarbeiter mit Drogensüchtigen. "Diese beiden Erfahrungen lehrten mich, dass die Welt kein fairer Ort ist", sinniert er. Sie beeinflussen zudem nachhaltig seine Texte, die sich oft mit Außenseitern beschäftigen.
1966 spielt er in der Blues-Band Siren, die einen Plattenvertrag bei John Peels Label Dandelion erhält. Der legendäre Radio One-DJ ist von Coyles bluesger Stimme, seinen dramatischen Texten und seinen Auftritten, bei denen er oft auf Konfrontation mit dem Publikum geht, begeistert. "Wir scheißen und furzen auch", so Coyle in einem frühen Interview - und erklärt worum es im Rock wirklich geht: "Hype und Idioten. Beides interessiert mich nicht."
1969 erscheint das erste Studioalbum der Band, "Siren", 1971 gefolgt von "Strange Locomotion". Anschließend setzt Coyle seine Karriere unter eigenem Namen fort. Zunächst schlägt er das Angebot aus, den verstorbenen Jim Morrison bei den Doors zu ersetzen, mit der Begründung, er wolle keine Lederhosen tragen.
1972 veröffentlicht er sein erstes Studioalbum "Case History", 1973 sein wohl bekanntestes Werk "Marjory Razorblade", das John Lydon 1977 als Inspirationsquelle nennt.
Zu diesem Zeitpunkt stehen Lydons Sex Pistols und Coyne beim selben Label unter Vertrag, nämlich bei Richard Bransons Virgin. "Ich habe ihn wirklich geliebt. Er war einzigartig", gibt der Impresario später zu Protokoll.
Im Laufe seiner Karriere veröffentlicht Coyne mehr als 40 Alben, bringt Musicals auf die Bühne, schreibt Bücher und verzeichnet Erfolg als Maler. Der große Durchbruch, den er ohnehin verabscheut, gelingt ihm aber nicht.
Während im Heimatland das Interesse in den 70er Jahren nachlässt, sind seine Auftritte in Deutschland gut besucht. Das führt dazu, dass sich Coyne 1984 in Nürnberg niederlässt und Deutsch lernt. 1992 erhält er den Preis der Stadt Nürnberg für Kunst und Wissenschaft.
"Lieder zu schreiben ist ein bisserl eine technische Übung, vor allem aber eine Form der Selbsttherapie. Auch wenn ich nicht in die Liga der Stars vordringen wollte, so war es mir doch wichtig, mir einen Namen zu machen", erklärt er in einem seiner letzten Interviews, bevor er 2004 an einer Lungenfibrose stirbt.
© Laut
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