Alicia Keys
Die Karriere der am 25. Januar 1981 in New York geborenen Alicia Keys steht in Verbindung mit der jüngsten Geschichte von Clive Davis. Dieser Mann, in seiner 40-jährigen Karriere für 300 Nummer-1-Hits verantwortlich, entdeckte Top-Acts wie Janis Joplin, Aerosmith, Santana, Billy Joel, Bruce Springsteen, Pink Floyd, Barry Manilow, Whitney Houston oder Dido und nahm sie unter Vertrag. Clive kauft 1998 den aufstrebenden R'n'B-Star aus ihrem Major-Deal mit Columbia-Records frei, um sie (als Chef von Arista) ins eigene Boot zu holen. Das gelingt ihm, doch kurze Zeit später muss er den dicken Sessel für einen Jüngeren frei machen. Kurzer Hand nimmt er die junge Schöne einfach mit und landet mit ihr 2001 einen weiteren Treffer in der hart umkämpften amerikanischen Musikarena.
Knapp 300.000 verkaufte Einheiten in der ersten Woche, da gerät selbst der alte Hase Davis ins Schwärmen: "Wir kamen mit der Produktion nicht mehr nach. So etwas habe ich in meiner 40-jährigen Karriere noch nicht gesehen". In diesen Erfolg steckt viel Arbeit: Er veranstaltete exklusive Show-Abende in seiner Villa außerhalb New Yorks, besuchte alle wichtigen Radiostationen, und schlug bei MTV mit dem Satz auf "Ich gehe hier nicht eher, bevor ihr mir eine Power-Rotation garantiert". Den Kick aber bringen Alicias Performances auf der 2000er Pre-Grammy-Party (die Clive jedes Jahr veranstaltet), in der berüchtigten Late Night Show von Jay Leno und in der Sendung der "heiligen Mutter" aller Hausfrauen, Oprah Winfrey.
Kein Wunder auch, Alicia spielt seit ihrem fünften Lebensjahr Klavier. Mit 14 beginnt sie die Arbeit an eigenen Songs. Mit 16 schließt sie ihre High-School-Ausbildung mit Diplom ab und wird von Columbia unter Vertrag genommen. Den Rest erledigt ab 1998 Clive Davis, der ihr als Mentor von nun an zur Verfügung steht. Er verzichtet auf einen hochdotierten Job in der Bertelsmann Vorstandsetage und gründet lieber sein eigenes Label J-Records. Dort kann er sich in aller Ruhe um die Karriere von Alicia Keys kümmern.
Im Herbst 2001 erscheint ihr Debütalbum "Songs In A Minor", das eine perfekte Symbiose aus alten Motown-Elementen und einer modernen R'n'B-Produktion darstellt, auch hierzulande. Allein für dieses Meisterwerk erhält sie im Herbst 2002 fünf Grammys, u.a. den für die 'Künstlerin des Jahres', unzählige weitere Auszeichnungen sollen bald folgen. "The Diary Of Alicia Keys" (2003) verfeinert das Rezept weiter, erreicht aber dennoch nicht ganz die Klasse des Debüts. Eine erste Livescheibe spielt sie 2005 für die MTV "Unplugged"-Serie ein.
Wenn sie nicht im Studio steht, engagiert sich Alicia auch für AIDS-Kranke und andere vom Schicksal Geschlagene. Während der Internationalen AIDS-Konferenz vom 13. bis 18. August 2006 im kanadischen Toronto führt sie einen Protestmarsch an, den Mütter von AIDS-Infizierten abhalten. Im Zuge eines Aufenthalts in Südafrika beschließt die Sängerin, die Situation einer größeren Öffentlichkeit nahezubringen.
Außerdem ist sie als Botschafterin für die Organisation 'Keep a child alive', die hauptsächlich Familien in Afrika und Asien hilft, aktiv. Dabei vernachlässigt sie ihre Musik allerdings nicht: 2007 kommt ihr drittes Studioalbum "As I Am". So wird sie 2008 mit zwei Grammys in den Kategorien Best R&B Song und Best Female R&B Vocal Performance ausgezeichnet.
Im September 2009 meldet sie sich mit "Doesn't Mean Anything", der ersten Single vom vierten Studioalbum "The Element of Freedom" zurück. Der Titel ist laut Keys Programm, da sie sich in diesem Album die Freiheit nimmt, auch vermeintlich abwegige Ideen musikalisch umzusetzen. In Deutschland erreichte die Platte Gold.
Im Juli 2010 heiratet Alicia ihren Freund, den Rapper und Produzenten Swiss Beatz, im Oktober kommt der gemeinsame Sohn Egypt Daoud Ibarr Dean in NYC zur Welt. 2012 singt sie auf der Trauerfeier für Whitney Houston "Can You Send Me An Angel". Im November desselben Jahres erscheint ihr fünfter Longplayer "Girl On Fire".
Weiterentwickung ist für die Sängerin wichtig. Obwohl im Bereich des klassischen R'n'B zuhause, ergänzt sie ihren Sound immer wieder mit Elementen anderer Stilrichtungen. Das schließt gleichwohl Kollabos mit Kolleginnen wie Beyoncé ein. Der Veröffentlichungsrhythmus verlangsamt sich aufgrund familiärer Pflichten allerdings, zumal im Dezember 2014 ihr zweiter Sohn auf die Welt kommt. Im November 2016 erscheint aber schon das nächste Album "Here".
Während die charismatische Soul-Künstlerin im Laufe der Jahre erkennt, dass Frauen im Business einem überhöhten Perfektionsanspruch unterliegen, denkt sie über ihre Lebensgeschichte und ihr Selbstwertgefühl nach.
Resultat wird das (zweite) autobiographische Buch "More Myself. Mehr ich selbst". Hierin wirft sie einen Blick auf Menschen, die sie von der Kindheit bis heute begleitet oder umgeben haben. So hatte sie ein ambivalentes Verhältnis zu ihrem Vater, reflektiert verschiedenen Erziehungsmethoden ihrer alleinerziehenden Mama und ihrer Großeltern und holt richtig weit aus. Das Buch ist gleichermaßen als sozialpsychologische Alltagsstudie wie auch als Plädoyer für eine gesunde Haltung sich selbst gegenüber zu verstehen.
Fürs siebte Album "ALICIA" arbeitet die Sängerin u.a. mit Ed Sheeran zusammen. Die gemeinsame Single "Underdog" unterstreicht, wie universell Alicia einsetzbar ist. Während sie in der Welt der Plattenlabels weiter beim Major Sony unter Vertrag ist, hält sie als charmantes Testimonial für die Eigenwerbung des deutschen TV-Senders VOX her und bewirbt zu den Tönen von "Underdog" die Frühjahrskampagne für die aktuellen Serien des Senders. Vox gehört aber zur Bertelsmann-Gruppe (Warner/BMG), seit dem Split des Sony-BMG-Joint Ventures direkter Konkurrent von Sony. Alicia vor die Kamera zu bekommen, ist eben immer etwas Positives, zumal der positiven Ausstrahlung der Soul Princess schwer zu widerstehen ist.
Interviews sind derweil ein rares Gut. Die ein oder andere Frauen- oder Modezeitschrift scheint Alicia das liebste Forum, zum Release von "Alicia" bekommt der Apple-Podcaster Zane Lowe 2020 eine Stunde Audienz gewährt. Arte entscheidet sich 2021 für seinen Themensommer der "magischen Stimmen des Pop", zumindest (mal wieder) ein Konzert der Künstlerin auszutrahlen - ein Corona-konformes, ohne Publikum.
Die Albumtitel (wie z.B. "Here") werden immer kürzer, die Tracklists dafür länger: Im Advent 2021 erscheint das schlicht "Keys" betitelte Album mit 26 Stücken. Dieser Release kommt ohne langes Vorab-Teasing: Die neuen Songs hätten alle so schnell es geht raus gemusst, twitterte der Weltstar. Hier knüpft die Pianistin wieder an den Gospel-geprägten Klavier-R'n'B ihrer Anfangsjahre an, gestattet sich aber auch viele Ausbuchtungen in angrenzende Genres.
© Laut
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