Roosevelt
Für den britischen Guardian ist Marius Lauber alias Roosevelt schon 2013 "der talentierteste Künstler, der sich je nach einem US-Präsidenten benannt hat, und definitiv viel besser als die Presidents Of The USA". Auch die hiesige Intro und der US-amerikanische Indiemagazinvorreiter Pitchfork berichten schon anlässlich der Premierensingle "Sea" 2012 sowie der nachfolgenden Debüt-EP "Elliot". Und sind voll des Lobes. Warum es trotz mehrfacher Ankündigungen weder in 2014 noch in 2015 mit dem Debütalbum klappt, verrät der Wahlkölner zwar zunächst nicht; 2016 löst Roosevelt mit dem gleichnamigen Album dann aber letztlich doch sämtliche Versprechen ein.
Da ist Lauber immer noch gerade einmal Mitte zwanzig. Sein inspirierter Mix aus Chillwave-Psychedelia, Italo-Disco und balearischen Popharmonien begeistert zu jenem Zeitpunkt längst nicht mehr nur Eingeweihte im Sonnenschein. Mehr New Order als Four-to-the-floor, behält sein Elektropop stets eine analoge Note. Weshalb Roosevelt live ebenfalls regelmäßig mit Bassist und Drummer auftritt.
Apropos Bandsetup: Im Indierock liegen auch Laubers eigentliche Wurzeln. In der übersichtlichen Heimatstadt Viersen an der holländischen Grenze wächst er auf, lernt Gitarre und Schlagzeug und gründet mit Freunden die lokale Band Beat! Beat! Beat!. Als deren Drummer schafft Lauber es schon früh zu einiger Berühmtheit, als der NME Beat! Beat! Beat! anlässlich des 2010er-Debütalbums "Lightmares" als deutsche Foals bezeichnet.
Nachdem der Produzent und Sänger dann volljährig nach Köln zieht, sieht er sich das erste Mal mit der elektronischen Szene der Stadt konfrontiert. Langsam freundet er sich mit House und Techno an, knüpft via Praktikum Kontakte zu Kompakt-Acts wie Tobias Thomas und Superpitcher. 2011 startet er dann als Roosevelt durch. Mit dem Kölner Technopop-Act Coma teilt er sich ein Studio.
Auf die erste Single "Sea" wird Joe Goddards Label Greco-Roman (Totally Enormous Extinct Dinosaurs, Disclosure) sofort aufmerksam. Ohne dass er sich aktiv um einen Plattenvertrag kümmern muss, erhält Lauber plötzlich professionelles Backup. Dabei störten ihn die anhaltenden Vergleiche mit Caribou und Toro Y Moi wenig. Natürlich sei seine Musik stark an genannte Electronica- bzw. Chillwave-Produzenten angelehnt, räumt Roosevelt freimütig ein.
In jedem Fall tauscht der Kölner die Jugendliebe Strokes zunehmend für LCD Soundsystem und Clubmusik ein - ohne je ganz den Fuß aus der Indietür zu ziehen. Songs schreibt er entweder am Laptop oder an der Bassgitarre. In Berlin wiederum fühlt Roosevelt sich etwas verloren - trotz mancher DJ-Tournee durch die USA und Brasilien und im Vorprogramm von Kakkmaddafakka, SOHN und Hot Chip.
Die Stadt ist ihm schlicht zu groß, weshalb er nach einem halbjährigen Aufenthalt dort noch vor dem Albumrelease wieder ins Rheinische zurückkehrt. "In Köln ist alles so übersichtlich, man trifft ständig Leute mit gemeinsamen Interessen - selbst wenn man ganz unterschiedliche Musik macht." Der "Sound of Cologne" - auch 20 Jahre nach den großen Kompakt-Pionieren offensichtlich aktuell wie eh und je.
2018 erscheint mit "Young Romance" sein Nachfolger, der erzäherlischer und etwas kerniger klingt als sein sehr homogenes Debüt. Nichtsdestotrotz beherbergt es sympathische Hits wie "Shadows" und "Forgive" mit Washed Out, einem seiner großen Idole.
Im Interview 2021 zu seinem dritten Longplayer "Polydans" spricht er davon, dass er das Projekt Roosevelt als Alleingang sieht und er nur Features eingeht, wenn es denn auch gut passt. Nile Rogers und Dua Lipa wären aber seine Favoriten für die Zukunft.
Für "Polydans" hat er während der Pandemie sein Studio umgebaut und renoviert, alle Instrumente selbst eingespielt und zum ersten Mal das komplette Album auch produziert. Er hatte die Freiheit, das zu tun, was ihm Spaß macht und verbringt dafür auch gerne einige Monate in Barcelona. Dort zieht er sich für kreative Inspirationen zurück.
Nur zwei Jahre später erscheint sein nächstes Album "Embrace", das er während seiner Tourneen und Festivals aufnimmt mit improvisierten Setups in Städten auf der ganzen Welt. Der Titel des Albums rührt von Laubers Erkenntnis her, dass viele seiner Freunde aus der Kindheit, als er 30 wurde, 'richtige Jobs' angenommen hatten, während er immer noch unterwegs ist und den Lebensstil eines Künstlers lebt: "Embrace" fungiert als Hinweis an den Künstler selbst, eine Erinnerung daran, die unvorhersehbaren Wendungen des Lebens zu akzeptieren.
Roosevelt präsentiert ehrlichen, tanzbaren und mitreißenden Dance-Pop. Er spielt fernab vom Charts beherrschenden EDM seiner DJ-Kollegen und funkelt deshalb umso heller am Firmament.
© Laut
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