My Foolish Heart

Albumbeschreibung

Am 25. Juni 1961 intoniert ein Pianist im Village Vanguard „My Foolish Heart“. Es ist nicht verbürgt, ob Ralph Towner genau diese Version des Bill Evans Trios nachhaltig geprägt hat, aber das Zusammenspiel von Scott LaFaro am Bass, Paul Motian am Schlagzeug und dem Tastenlyriker Evans beeindruckt den jungen Towner so stark, dass er versuchen wird, die exquisit ineinander verzahnte Liniatur des Trios im eigenen Gitarrenspiel zu spiegeln. Ist es da ein Wunder, dass sein neues Soloalbum „My Foolish Heart“ als Titelsong trägt?
Natürlich: Ralph Towner zu hören, ist immer ein wenig wie nach Hause kommen. Sein Stil ist unverwechselbar. Auch seine neuen Stücke – außer „Foolish Heart“ lassen sich mit „Shard“ und „Rewind“ noch zwei alte Oregon Klassiker finden – sind allesamt Eigenkompositionen. Sie können unschuldig klingen wie ein altes Kinderlied („Ubi Sunt“), immer hochromantisch, manchmal ausgelassen tänzerisch wie „Dolomiti Dance“. Schroffer geht es zu, wenn Towner von der klassischen Gitarre zur Zwölfsaitigen wechselt, die mit Stahlsaiten spitzer klingt. Der Duktus aber bleibt, und manchmal mag sich die Verlorenheit der Songs wie der Sound Track zu einem Andrew-Wyeth-Gemälde ausnehmen.
Als junger Mann war Towner nach Wien gereist, um bei Karl Scheit, ausgerechnet beim penibelsten aller Gitarrenlehrer, zu studieren. Tatsächlich hätte der an den letzten Soloalben des Amerikaners seine Freude gehabt, tendierten sie doch immer mehr zur Klassik. „My Foolish Heart“ gibt sich nicht so abgezirkelt, manches wirkt hier rauer, nicht so ausgefeilt. Andererseits erinnert gerade das wohltuend an den frühen Towner. Noch eines: Einige Ensemblealben von Towner, zum Beispiel „Lost and Found“, gehören zu den schönsten kammermusikalischen Jazzalben überhaupt. Ob wir die Zeit für ein weiteres haben? Immerhin ist Towner nun 77. Es wäre wunderschön!

© Urbach, Tilman / www.fonoforum.de