Rin'
"Leute können bemängeln, was sie wollen: Soundästhetik, Technik, Lyrik. Aber keiner kann mir sagen, dass meine Musik nicht gefühlvoll ist. Gefühl steht bei mir über allem." Tatsächlich prägen Emotionen nicht nur RINs Tracks, viel mehr spiegelt sich in ihnen seine Herangehensweise an sein musikalisches Schaffen. Er verlässt sich völlig auf sein Bauchgefühl, durchdachten Songs verweigert er sich.
RIN wird als Sohn bosnisch-herzegowinischer Eltern in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart geboren. Seine musikalische Sozialisation reicht von 50 Cent und The Notorious B.I.G. über den "Übergott" Frank Ocean bis zu "depressiver Musik" aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Insbesondere die Stimmung der letztgenannten nimmt entscheidenden Einfluss auf die späteren Aufnahmen RINs. Er ist überzeugt, Schmerz wirke authentischer als positive Emotionen. Während wahres Glück nur wenigen beschieden sei, handele es sich bei Schmerz um ein universelles Gefühl.
Sein eigener Weg zum Musiker beginnt 2012. Im Japangarten seiner Heimatstadt fordern ihn Freunde zum Freestyle auf. Ein Unterfangen, das mehr schlecht als recht funktioniert, aber zumindest für Lacher und eine Einladung ins Aufnahmestudio eines Freundes sorgt. Dort entsteht gemeinsam mit Caz seine erste Nummer "Lungenembolie".
Doch anstatt diese zu veröffentlichen, schneidet Caz RINs Part heraus und reicht den gekürzten Song als VBT-Bewerbung ein. Erst 2013 taucht RIN mit einem Beitrag auf Caz' Mixtape "Alles Was Du Lieben Könntest" auch offiziell auf der musikalischen Landkarte auf.
Mit der Videoveröffentlichung "Ljubav/Beichtstuhl" erfährt RIN im Sommer 2015 einen ersten Karriereschub. Der melancholische Song findet Anklang bei Casper und Falk Schacht. The Breed, Produzent aus dem Umfeld von Alles oder Nix Records, lädt RIN für eine Woche nach Chemnitz ein, wo eine komplette EP entsteht. Doch zum Mastering kommt es nicht mehr. RINs Spürsinn entpuppt sich als der analytischen Arbeitsweise des Produzenten diametral entgegengesetzt.
Über Soundcloud lernt RIN Yung Hurn kennen, der ihn überzeugt, Teil des Kollektivs Live From Earth zu werden. Da es, abgesehen von Haftbefehl, keinen anderen Rapper gebe, mit dem er so gerne zusammenarbeitet, stimmen die Voraussetzungen. Überhaupt sei Hurn "das Krasseste, was es in den letzten sechs Jahren im Deutschrap gab".
Anfang März 2016 erscheint die "Genesis"-EP als erste Soloveröffentlichung RINs über Live From Earth. Darauf trägt RIN seine düstere Weltsicht in weitgehend simplifizierten Texten mit einer stark von Autotune unterstützten Gesangsstimme vor. In Verbindung mit den Synthieflächen der Produzenten Lex Lugner, Kain, Jax, Devonwho, Meltycanon, Canis Major und Minhtendo ergeben sich acht Ohrwürmer zum kostenlosen Download.
RIN avanciert mit "Genesis" zum Kritikerliebling. Sie feiern ihn als Gegenmodell einer "Übermaskulinisierung", Vergleiche mit Drake, Frank Ocean oder Mauli fallen en gros. Die immer wiederkehrende Einordnung in die Schublade Cloud-Rap missfällt ihm jedoch.
Im Mai 2016 platzt der Knoten endgültig: Mit "Bianco" legt RIN gemeinsam mit Yung Hurn einen veritablen Sommerhit hin. Über fünf Millionen Aufrufe und der Titel "Deutschrap-Single des Jahres" vom Juice-Magazin sind der Lohn. Shindy teilt das Video und holt RIN für einen gemeinsamen Song auf sein Nummer-eins-Album "Dreams".
Auf den Erfolg folgt die Umorientierung im Herbst 2016. RIN verlässt Live From Earth, an die er ohnehin nicht vertraglich gebunden war, und schließt sich dem Label Division an, das seine Videos "Blackout", "Ich Will, Dass Du Mich Brauchst" und "Doverstreet" betreut. Die Juice platziert ihn zum Jahreswechsel auf dem Cover und ernennt ihn zusammen mit Nimo, Ufo361, Crack Ignaz, LGoony, Chima Ede und Haiyti zu den "Leaders oft the new school". Sein Debüt auf Albumlänge, "Eros", erscheint im Sommer 2017 bei Selfmade Records-Chef Elvir Omerbegovics brandneuer Labelplattform. Auf den Folgealben "Planet Megatron" (2018) und "Nimmerland" (2019) perfektioniert der Bietigheimer seiner Erfolgsformel weiter.
Auch wenn RIN jeden Anschein von kommerziellem Interesse vermeidet, scheint der Erfolg nun unausweichlich. Business-Strategien, übermäßig professionalisierte Arbeitsabläufe, Premium-Boxen und Social-Media-Blogs bleiben ihm dennoch ein Graus.
© Laut
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