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Helena Hauff

Helena Hauffs Weg zur elektronischen Musik als ungewöhnlich zu titulieren, wäre wohl untertrieben. Als junges Mädchen treibt sich die Hamburgerin keinesfalls in subkulturellen Milieus umher und verschafft sich mit fremden Ausweisen Zugang zu Szeneclubs. Vielmehr forscht sie in der Stadtbibliothek nach musikalischen Perlen aller Art und schaut jede Menge Musikfernsehen: MTV, VIVA, Übertragungen der Loveparade: in den Neunzigern unerlässlich für die musikalische Sozialisation. Besonders die langen Tage des Stöberns in der Bibliothek legen aber gewissermaßen den Grundstein für ihre anschließende Karriere als DJ und Produzentin gleichermaßen: Die junge Helena borgt sich massenweise CDs und nimmt diese in Eigenregie auf Tapes auf, wobei sie erstmals mit einer Frühform der Intertextualität des DJings und der maschinendiktierten Methodik in Berührung kommt, die ihre späteren Studioarbeiten auszeichnen wird. Diese entstehen, wie schon der erste Maxi-Release "Actio Reactio" von 2013 beweist, ausnahmslos durch die Nutzung analogen Equipments und besitzen einen stark von Spontaneität und Jamming geprägten Charakter. Diesen nimmt Hauff bewusst in Kauf, bearbeitet ihre quasi live entstandenen Tracks im Nachhinein nur marginal: "Wenn man mit Maschinen arbeitet, gibt es wahnsinnig viele Zufälle, unvorhergesehene Kombinationen und Fehlprogrammierungen, die zu schönen Dingen führen, an die man nicht dachte, und was bei bei Computern nicht so leicht passiert." Digitalen Programmen wie Ableton kehrt sie konsequent den Rücken, die nervösen, flirrenden Beats stammen zumeist aus der Roland 808, einem zentralen Bestandteil ihres maschinellen Ensembles. Dazu gesellen sich vornehmlich grelle, unbeständige Melodien, die nur selten den Anschein erwecken, in versöhnlichem Maße harmonisch zu klingen. Helena Hauff vereint Stile wie EBM, Techno, rasselnden Detroit-Electro und sporadische Wave-Einflüsse in Eigenproduktionen wie auch in ihren DJ-Sets, deren düsteren Eklektizismus sie kaum zu umreißen vermag: "Das ist unheimlich schwierig. Meine Sets sind rough, schmutzig, ein bisschen kalt. Nicht immer wahnsinnig kalt, aber es geht eher in eine kalte Richtung als in eine warme. Eher Italo-Disco als New-York-Disco – wobei ich nicht wahnsinnig viel Italo-Disco spiele. Damit meine ich, dass ich eher einen europäischen Sound repräsentiere als einen amerikanisch-schwarzen Sound." Das gilt im besonderen Maße für ihr von der Kritik gefeiertes Debütalbum "Discreet Desires" von 2015, das ihr in der elektronischen Szene Tür und Tor öffnet. Zuvor schon in steter Regelmäßigkeit im Hamburger Golden Pudel aktiv, bespielt Hauff fortan Clubs und Festivals auf der ganzen Welt. Auch hier agiert sie rigide und haptisch: Sie legt ausschließlich mit Platten auf, zerrt ihren Trolli von Flughafen zu Flughafen und kann bei Verfehlungen seitens des Veranstalters schon mal aus der Haut fahren, wie sie gegenüber der Groove offenbart: "Aber es passiert manchmal auch, dass es einfach nicht geht. Dass die Plattenspieler komplett im Arsch sind, nicht richtig isoliert sind. Dass es Rückkopplung gibt, die Nadeln springen. Ich könnte natürlich sicherheitshalber einen Stick dabeihaben. Aber wenn ich mir die Mühe mache und Platten mit mir herumschleppe, dann ist das Arbeit. Da möchte ich auch, dass die Soundtypen vorher wenigstens einen Soundcheck machen mit den Plattenspielern. Wenn ich ihn nicht machen kann, weil ich zu spät komme, oder die Veranstaltung früh anfängt. Das ist das Mindeste, was man machen kann. Ich möchte es denen auch gar nicht allzu leicht machen, indem ich dann mit CDs auflege. Die sollen schon merken, dass es so nicht geht und dass sie sich vielleicht auch ein bisschen anstrengen müssen, wenn ich mich anstrenge und den Scheiß mit mir rumschleppe." Keineswegs will Hauff derartige Vorkommnisse aber als Star-Allüren verstanden wissen. Die Hamburgerin lebt für ihre Vision, hat sich der Musik vollends verschrieben. Um sich den Traum ihres klangerzeugenden Maschinenparks erfüllen zu können, macht sie eben Abstriche beim leiblichen Wohl, verzichtet auf gutes Essen und lebt jahrelang in materieller Askese, wie sie dem kaput-mag erzählt: "Ich habe versucht sehr viel Geld zu sparen. Nicht beim Plattenkaufen, aber ich hab mir über Jahre bei Aldi die Sahne zwei Cent günstiger gekauft und mir auch sonst nichts geleistet, keine Klamotten, kein Auto und was man sich sonst noch so leisten könnte. Ich hab da gar nicht so genau drüber nachgedacht zur damaligen Zeit. Es war mir so wichtig, dass ich es nicht als Einschränkung empfunden habe, als eine Art Kasteiung. Ich wollte einfach das Geld zusammen bekommen, um mir die Maschinen zu kaufen." Wie bereits erwähnt, zahlt sich diese Phase aber absolut aus. Hauff knüpft mit ihrer Musik Kontakte zu Actress und veröffentlicht mehrmals auf dessen renommierten Label Werkdiscs, steuert 2017 als erste weibliche Protagonistin den "Essential Mix Of The Year" der BBC bei und spielt Headline-Slots auf dem Dekmantel- und dem Sonar-Festival. Auch der Release ihres zweiten Albums "Qualm" im Sommer 2018, das an die Qualität des Vorgängers nahtlos anknüpft, ändert nichts an ihrer genuin zurückhaltenden, aufgeräumten Art: Social Media-Kanäle bleiben tabu, das ehrliche Hinterfragen des eigenen Status und eine realistische Selbsteinschätzung haben oberste Priorität: "Als DJ hat man, anders als ein mit seiner Rolle und einer Choreografie ausgestatteter Schauspieler, lediglich seine Platten als Rahmen. Da fängt man schon an, sich selbst die Sinnfrage zu stellen: Was mache ich da eigentlich? Ich stehe auf einer Bühne, spiele die Musik von anderen Leuten, und mir gucken diese 500 Menschen dabei zu. Wenn das passiert, fängt es an, komisch zu werden."
© Laut

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