Get Well Soon
Konstantin Gropper ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Insbesondere sein Herkunftsort Biberach scheint dem 82er-Jahrgang ungenehm bis peinlich. Warum sonst macht die Biografie aus diesem Punkt ein halbes Mysterium, warum sonst listete in den Anfangstagen selbst seine MySpace-Seite zuerst London als Heimstall, das Zuhause eines seiner Tourmusiker - noch vor Dublin und Berlin, Groppers derzeitigem Wohnort?
Auch sein Diplom an der Popakademie Mannheim zählt nicht zu den Dingen, die der gebürtige Oberschwabe im Gespräch gerne hervorholt. "Normen im Pop sind fatal", winkt der klassisch ausgebildete Multiinstrumentalist darauf angesprochen lakonisch ab. Baden-Württembergs größere wie kleinere Nester quillen eben nicht gerade über mit popkulturellem Coolnessfaktor.
Ohne Zweifel wäre es dem Musiklehrersohn jedoch ein Leichtes, seine rurale Herkunft in Verkaufszahlen zu übersetzen – Dorfleben kam uns nie so weltumfassend wie das vier lange Jahre ausgebrütete Debütalbum "Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon". Aber es wäre ihm zu einfach, die 'Landei hits City'-Märchen ein weiteres Mal aufzuwärmen.
Gropper hat Provinz, seine Teenage-Grunge-Bands wie auch den Piano-, Cello-, Schlagzeug- und Klassikgitarrenunterrricht hinter sich gelassen. Er will an seiner recht konkurrenzlosen Kunst gemessen werden. Die nämlich vereint verschwommene Erinnerungen an die traurigen Balladen des Leonard Cohen, das allzeit spürbare Ächzen eines Tom Waits, die Eindringlichkeit Nick Cavescher Hymnen und das schwerelose Lamento Thom Yorkes.
Get Well Soon sind nichts weniger als das deutsche Nachdenklichkeits- und Befindlichkeits-Äquivalent zu Conor Oberst, dem Antihelden des amerikanischen Midwest. Gropper ist Vertreter einer Jugend, die, literarisch vorbelastet, ihre Realitäten durchwandert, sie überprüft, beschreibt, nicht unbedingt verklärt und am Ende feststellt, dass die Dinge schlecht stehen, aber dennoch lebenswert sind. Melancholie in Sinfonie, immer kurz unter der Sättigungsschwelle, auf dass das Verlangen nach mehr nie verlischt.
Morricone-Zitate, Tango und Walzer, spukige Cheerleaderchöre, nichts, was in diesem Kosmos nicht geht oder unpassend wirkte. Die Texte handeln von der Sinnarmut eines Celebrity-Daseins, von Beziehungen und Distanzen, Sterblichkeit und Sentimentalitäten für das was ist, war oder sein wird.
Allerdings sind Groppers Songs "keine Liebeslieder. Es sind eher so Zusammenhalt-Lieder", beschreibt der Lyriker. "Gemeinsam durchhalten. Am Ende wird es schon gut ausgehen, auch wenn es jetzt gerade echt schwierig aussieht. Meine Musik mag desillusioniert sein, aber sie soll nicht desillusionieren."
Da wird auch schon mal "Born Slippy" zur Hymne seiner Generation erkoren, zum neuen "Smells Like Teen Spirit" sozusagen. Auf der Bühne expandieren Get Well Soon noch weiter. Bis zu acht Musiker stehen unter anderem beim Kultfestival Glastonbury vor Publikum: Gitarristen, Basser, Schlagzeuger, Pianisten, Violinisten und Blechbläser legen der Intimität der Aufnahmen live eine atemberaubend breitbandige Fassung an.
© Laut
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