Gutes besser machen, ohne den Preis explodieren zu lassen. Das war die Aufgabe, als es galt, den brandneuen offenen, dynamischen Kopfhörer Sennheiser HD 660S2 zu entwickeln.

Das niedersächsische, sich im Familienbesitz befindliche Unternehmen Sennheiser hat 2021 seine Soundbar- und Kopfhörersparte an den schweizerischen Hörgerätespezialisten Sonova verkauft und konzentriert sich seither auf Mikrofone und Studiotechnik, während die neuen Eigentümer sich Stück für Stück daranmachen, im hart umkämpften Markt hochwertiger Kopfhörer die Modellpalette zu modernisieren und zu verbessern.

Dabei bleibt man dem dynamischen Prinzip bei den Schallwandlern treu, auch wenn sich Magnetostaten in den vergangenen Jahren in dieser Preisklasse durchaus etabliert und einen guten Ruf erspielt haben.

Der großzügige Einsatz von Kunststoff sorgt für geringes Gewicht und in Verbindung mit weichen Polstern für hohen Tragekomfort.

Klanglich sind die mit starken Magneten

eine Folie in Schwingung versetzenden magnetostatischen Kopfhörer dabei durchaus eine ernst zu nehmende Alternative, die allerdings mit zwei Nachteilen zu kämpfen haben: Die dort verwendeten Magnete bedeuten eine gehörige Portion zusätzliches Gewicht, was den Tragekomfort durchaus negativ beeinträchtigen kann, und die wenigsten Magnetostaten sind geeignete Partner für einfache, in Geräten eingebaute Kopfhöreranschlüsse oder gar für mobile Geräte.

Die Aufgabenstellung für den HD 660S2 war es in erster Linie, ihm durch ein in den alleruntersten Frequenzlagen kräftigeres Fundament klanglich noch ein Plus an Körperhaftigkeit und Spürbarkeit angedeihen zu lassen, ohne die grundsätzlichen Qualitäten des in STEREO 2/18 überzeugend getesteten Vorgängers zu verlieren.

Dazu wurde unter anderem die Schwingspulenkonstruktion überarbeitet und auf eine Impedanz von 300 Ohm angehoben, wie es sie bereits beim HD 600 und HD 650 gab. Diese neue Alu-Schwingspule erhöht laut Sennheiser die Magnetfeldstärke und soll für eine weiter verbesserte Impulskontrolle, also weniger Verzerrungen und damit ein saubereres, natürlicheres Klangbild Sorge tragen.

Auch am Gehäuse wurden Veränderungen vorgenommen, insbesondere hat man sich der Strömungsverhältnisse der Luft angenommen und diese so angepasst, dass durch die Luftströmung im Gehäuse auftretende Resonanzen nun besser bedämpft werden. Die Konsequenz ist eine verbesserte Impulsantwort über das gesamte Frequenzspektrum. Alles in allem tragen sämtliche genannten Faktoren inklusive der Verdopplung des Schalldrucks bei niedrigsten Frequenzen zu maximaler Präzision, Geschwindigkeit und höchster Auflösung bei der Wiedergabe bei, wenn man den Entwicklern bei ihrer Darlegung folgt.

Die Explosionszeichnung verdeutlicht den komplexen Aufbau der Chassis.

Hoher Tragekomfort

Ein ganz wichtiger Punkt bei Kopfhörern, den wir nicht oft und intensiv genug betonen können, ist der Tragekomfort und die Passform. Denn der bestklingende Kopfhörer wird die meiste Zeit ungenutzt ein Schattendasein führen, wenn er sich unbequem trägt. Hier spürt man beim HD 660S2 die langjährige Erfahrung des Herstellers, um bei nahezu jeder Kopfform- und Größe sowie beliebiger Anatomie Ihrer Ohren die ideale Mischung aus Anpressdruck und dauerhaft entspanntem Tragen zu treffen.

Durch das geringe Gewicht von lediglich 260 Gramm und die großen, weichen Ohrpolster mit Veloursbezug trägt sich der 660 S2 auch nach Stunden und selbst als Brillenträger sehr angenehm. Wobei ihm neben der Leichtigkeit des Seins auch seine offene Bauweise hilft, selbst eine komplette Oper ermüdungsfrei und ohne Hitzestau hören zu können. Da hat er den allermeisten seiner Mitbewerber in der Summe seiner Eigenschaften etwas voraus, ganz unabhängig von seinen klanglichen Meriten, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen werden. Und sollten Sie zu der Kategorie von Musikliebhabern zählen, die gerne beim Hören mit dem Kopf hin und her wippen – bitte sehr, der Sennheiser wird selbst dann mit stoischer Ruhe in der gewählten Ursprungsposition auf dem Kopf verweilen.

Erfreulich und erwähnenswert sind darüber hinaus die austauschbaren Kabel und Ohrpolster, während die Suche nach linker und rechter Muschel wieder einmal detektivische Suchmanöver erfordert. Kleiner Tipp: Auf der linken Seite finden sich an der Halterung drei sicht- und fühlbare Punkte!

Sollten Sie sich fragen, wie Sennheiser es schafft, einen so leichten Kopfhörer in hoher Qualität zu liefern: Das geringe, tragefreundliche Gewicht wird auch durch den großzügigen Einsatz von Kunststoff in der firmeneigenen Fabrik in Irland erreicht. Dort wird ebenfalls sichergestellt, dass ein Hörer wie der andere klingt, denn die Chassis werden mit minimalen Toleranzen gefertigt und deren gleichbleibende Qualität stichprobenartig überprüft.

Hier sieht man den hinter einem Gitter gut geschützten Treiber mit seinen ausgeklügelten strömungsoptimierten Verstrebungen.

Ergänzung des Klangbildes

Was im Ergebnis dazu führt, dass sich der HD 660S2 auch unter klanglichen Aspekten nichts zuschulden kommen lässt. Denn glücklicherweise hat man in der Entwicklungsabteilung der Versuchung widerstanden, aus einem sehr guten Kopfhörer der 500-Euro-Klasse ein populistisches Bassungetüm der 600-Euro-Klasse zu züchten. Bei zahlreichen Musikstücken hört man tonal nur einen geringen Unterschied zwischen alt und neu. Erst, wenn eine Aufnahme wirklich richtig gut gelungen ist, bemerkt man den zusätzlichen Druck im Frequenzkeller und zugleich eine etwas feinere, aufgeräumtere und mit weniger Artefakten daherkommende Wiedergabe, die zudem deutlich luftiger wirkt.

Ein erstes Beispiel für die sanfte, aber dennoch erfreuliche klangliche Überarbeitung entdeckten wir, als wir uns ein Streichquartett Guiseppe Verdis anhörten. Der S2 klang im direkten Vergleich zum Vorgänger und im Verhältnis zum HD 650, ebenfalls in der 500-Euro-Preisklasse angesiedelt, offener, luftiger und weiträumiger. Dabei trotz mehr Wärme im Klangbild immer auch eine Spur präziser und sauberer, wie bei Johnny Cashs « Personal Jesus » klar wurde.

Ähnlich, als wir von der Klassik in den Jazz- und Funksektor wechselten. Wenn Stanley Clarke « School Days » anstimmte, klang es stets eine Spur wärmer, dabei aber trockener und auf bemerkenswerte Weise dynamischer. Ein ganz ähnliches Bild bot sich, als wir uns weiteren Virtuosen wie Marcus Miller oder Ray Brown am Kontrabass oder Sonny Rollins am Saxofon widmeten: Der HD 660S2 spielte sich nie spektakulär in den Vordergrund, überzeugte aber aufgrund seiner weniger anämischen Wiedergabe nicht nur bei Bässen und Einzelinstrumenten oder kleinen Besetzungen, sondern auch bei Orchestermusik wie Mahlers 4. Sinfonie. Überraschend hingegen, dass krachende Popsongs von Yello (Rhythm Divine) bis Cameo (WordUp) die Unterschiede auf ein beinah zu vernachlässigendes Maß dahinschmelzen ließen.

Test-Geräte

Plattenspieler: Oracle Delphi IV, Yamaha P2
CD-Spieler: Sony SACD 777, Wadia 8/Brinkmann Nyquist 2
Phonoverstärker: Audionet PAM G2
Kopfhörerverstärker: Lehmannaudio Linear SE
Kopfhörer: Sennheiser HD 650, Sennheiser HD 660, Sendy Audio Apollo