Gegen Ende der 60er Jahre lehnte sich eine Gruppe junger brasilianischer Künstler durch die Verschmelzung nationaler Volksmusik mit Rock und Avantgarde gegen die Militärregierung auf. Caetano Veloso, Gilberto Gil, Gal Costa, Os Mutantes und ihre Freunde erfanden den Tropicalismo, eines der originellsten musikalischen Abenteuer des 20. Jahrhunderts.

Mitte der 60er-Jahre begehrte auf der ganzen Welt die Jugend auf. Die Nachkriegsgeneration erhob sich gegen das Establishment, das sie immer wieder mundtot gemacht hatte, und prangerte das unnachgiebige Patriarchat und seine zunehmend verstaubten Gesetze an. Dabei diente die Rockmusik sogar als ihr mächtigstes Sprachrohr. In Brasilien war die Lage besonders schwierig, da nach dem Staatsstreich von 1964 und dem Sturz des Präsidenten João Goulart das Militär das Land beherrschte. 1967 vereinten sich junge Musiker unterschiedlichster Herkunft in einer Strömung, die sich der Militärdiktatur widersetzte und in Brasilien, aber auch weltweit, die Musik revolutionierte: dem Tropicalismo. Es gab keinen detaillierten Plan, jedoch konkrete Vorstellungen, die Caetano Veloso, für manche Theoretiker dieser Strömung, kanalisierte.

Der brasilianische Komponist, Musiker und Essayist José Miguel Wisnik erklärte: „Nach Velosos Sicht bestätigt der Tropicalismo den Einfluss des Bossa Nova, der für Freiheit, Kreativität und tiefe Verbundenheit mit Brasilien und der Welt steht. Die Vertreter des Tropicalismo sehen Brasilien als ein Land, das seit jeher sowohl innere als auch äußere Wurzeln hat. Ein kolonisiertes Land, das äußere Einflüsse aufnimmt und sie den Brasilianern weitergibt. Ein sich von der Außenwelt abschottender Nationalismus und die Idee, das Eigene gegen das Fremde verteidigen zu müssen, gehören daher zu den wichtigsten Kritikpunkten des Tropicalismo! Sie müssen abgeschafft werden, das Eigene und das Fremde dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn die Kunst hebt diesen Unterschied bekanntlich auf und verarbeitet das Fremde wie auch das, was aus unserer Heimat stammt, gleichermaßen. Im Bossa Nova ist dies bereits geschehen. Und in der Folge ist der Tropicalismo entstanden, der den Bossa Nova erweitert und verstärkt".

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