Es regnete in Strömen in jener Oktobernacht im französischen Bugey, was zu dieser Jahreszeit dort häufig vorkommt. Es war Mitternacht. Wir waren ungefähr fünfzig Musikliebhaber, die beim Festival d’Ambronay schweigend in der Feuchtigkeit und in der Kälte warteten. Dann erschien auf einmal Jordi Savall, lautlos, in einen weißen, nassen Trenchcoat gehüllt, wie Humphrey Bogart in Casablanca, einen Kasten in Form eines menschliche Körpers an sich gedrückt. Mit langsamen Bewegungen holte er, nein, kein Maschinengewehr, sondern eine Viola da Gamba hervor, die er mit größter Umsicht behandelte, und begann, sie zu stimmen. Dann geschah im Publikum das Wunder.

Das ist Savalls Wunder: Die Kälte ist verschwunden, der Regen, der auf das Dach der Tour Dauphine trommelte, auch. Da ist nur noch der süße Zauber einer Musik, die von sehr weit her zu kommen scheint. Die Aufmerksamkeit der Hörer gewinnen, sie berühren bis sie eine Gänsehaut überläuft, mit diesem Instrument, seiner melancholischen menschlichen Stimme, die dank der faszinierenden Musik von Monsieur de Sainte-Colombe vom Leben, vom Tod und von der Vergänglichkeit zu sprechen scheint.

Anfangs war Jordi Savall zunächst bei Insidern als Gambist bekannt und vergrößerte dann, während er sein Repertoire erweiterte, allmählich den Kreis derer, die von seinem Spiel begeistert waren. Seine erste Plattenaufnahme erfolgte 1967 in Barcelona: eine Einspielung der Chants d’Andalousie mit der berühmten Sopranistin Victoria de Los Angeles unter der Leitung von Enrique Gispert. Jordi Savall wird dort nicht eigens erwähnt, denn er nimmt an dieser Aufnahme als Mitglied von Barcelona Ars Musicae teil, einem Ensemble, das historische Instrumente verwendet und erste musikwissenschaftliche Untersuchungen in Spanien durchgeführt hat. Es folgen weitere Aufnahmen mit dem Oboisten Michel Piguet, den Savall in der Schola Cantorum in Basel kennenlernt hatte, dem Gitarristen John Williams und dem Cembalisten Rafael Puyana.

1972, mit Jean-François Paillard!

1972 nimmt er in Paris mit dem Orchester von Jean-François Paillard – noch vor den Bewegungen zurück zu den Ursprüngen und zu historischer Spielweise, wie wir sie heute kennen, Pionier der französischen Barockmusik -, für Erato ein Programm auf, das Georg Philipp Telemann gewidmet ist. Dann steht auch bald Marin Marais in der Gunst des katalanischen Musikers, mit den Stücken für Viola des Zweiten Buches, die er mit Anne Gallet am Cembalo und Hopkinson Smith an der Laute für die Plattenfirma Astrée aufnimmt. Wie Michel Garcin bei Erato oder Bernard Coutaz bei Harmonia mundi, so wurde Michel Bernstein, Gründer des Plattenlabels Astrée, sehr schnell die Tragweite dieser Bewegung klar, die später mangels besserer Eingebung spöttisch „Barokisch“ genannt wurde, wie die Maler, die man zu ihrer Zeit verächtlich als „Impressionisten“ bezeichnete. Im Jahr darauf nahm Jordi Savall an einer Aufnahme der Musik zu Le Bourgeois Gentilhomme von Molière/Lully unter der Leitung von Gustav Leonhardt teil.

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