Vor 90 Jahren wurde Kenny Wheeler geboren, der als Trompeter gleichermaßen im Free Jazz wie im Rock und Bebop zu Hause war. Er hatte einen völlig eigenen Klang und eine Art der Melodiebildung, die unverwechselbar war. Und dies nicht nur als virtuoser Instrumentalist von lyrischer Strahlkraft, sondern auch als einer der bedeutendsten Komponisten des modernen Jazz.

Kenny Wheeler war ein notorisch zurückhaltender Mensch – schüchtern ist gar kein Ausdruck, sagen alle, die ihn besser kannten – und voller Selbstzweifel. Was vielleicht erklärt, dass sein erstes Album unter eigenem Namen, „Windmill Tilter: The Story Of Don Quixote. Told By Ken Wheeler And The John Dank­worth Orchestra“, erst 1969 erschien. Da war der seit 1952 in London lebende Kanadier bereits 39 Jahre; also in einem Alter, wo Miles Davis schon dreimal die Jazzhistorie grundlegend neu definiert hatte. Dass er überhaupt dieses Opus niederschrieb, lag an einer Weisheitszahnoperation. Weshalb John Dankworth, der den Trompeter schon 1959 in seine Big Band geholt hatte, ihm riet, die unvermeidliche Spielpause sinnvoll zu nutzen. Die erste Idee verwarf er rasch: „Ich wollte es auf der Kinderfernsehshow The Magic Roundabout aufbauen – ich mochte die Figuren und ihren Humor. Aber John hätte denken können, dass das nicht das richtige Bild für den Jazz ist.“ Also ging Wheeler in die Bibliothek, lieh sich Don Quixote, den Roman von Miguel Cervantes aus dem 17. Jahrhundert, und „mochte ihn sehr. Ich mochte schon immer Menschen, die ich Verlierer nennen würde, und er schien mir einer der großen Verlierer zu sein.“ Dem er mit „Windmill Tilter“ ein bis heute beeindruckendes Denkmal setzte. „Ein wichtiges Album in der Big-Band-Tradition, das Wheelers Ruf als wichtiger Autor und Spieler zu etablieren begann“, befand der Trompeter Douglas Detrick 2010 anlässlich der Wiederveröffentlichung auf CD: „Hier war schon Wheelers ausgeprägte Vorliebe als Komponist für üppige Orchestrierung, dunkle Melodien und freiliegende Improvisationen zu erkennen, und sein unverwechselbarer Klang als Trompeter hatte Gestalt angenommen.“ Was Peter Hum so präzisierte: „Wheelers Debütalbum zeigt deutlich die charakteristischen Facetten seiner Musik – direkt, aber neu und unverwechselbar, harmonisch reich und mutig. Seine Improvisation ist gelassen und dramatisch, mit großen Sprüngen in den Melodien und einem vollen, aber manchmal melancholischen Klang.“

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