Marie Davidson
Marie Davidsons musikalisches Œuvre zeichnet vor allem eines aus: grenzenlose Schonungslosigkeit gegenüber der Außenwelt und sich selbst. Die Franko-Kanadierin nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Missstände in der Szene anzuprangern oder ihre seelischen Abgründe vor einem breiten Publikum auszubreiten.
Als Vehikel für ihre ausdrucksstarken, mal ernsthaft, mal mit einem Augenzwinkern formulierten Botschaften nutzt sie dabei einen Mix aus Synth-Pop, Techno, EBM und experimenteller Electronica. Klanglich erinnert das in den eindeutigeren Momenten an die ausgiebigen Drum-Machine-Jams einer Helena Hauff, stimmlich findet sich kaum Vergleichbares: Davidson pendelt zwischen eindringlichem Monolog und hellem Gesang und wechselt obendrein fortlaufend die Sprache.
So verpasst sie ihren ersten Alben "Perte D'Identité", "Un Autre Voyage" und dem besonders beachteten "Adieux Au Dancefloor", das sich die Clubkultur ausgiebig zur Brust nimmt, durchgehend französische Titel. Das 2018 erscheinende "Working Class Woman", das die Künstlerin und ihre Probleme in den Fokus rückt, bekommt einen englischen Namen spendiert. Selbst in einzelnen Songs schaltet sie immer wieder zwischen den Sprachen hin und her und macht es dem Hörer mitunter schwer, zu folgen.
Auch auf musikalischer Ebene nutzt Davidson Verwirrungstaktiken: Noisige, verzerrte Stücke wechseln sich mit eingängigen Pop-Nummern und zügigen Techno-Tracks ab und zeugen von einem interdisziplinären Zugang. Die Produktion erfolgt weitestgehend analog, sodass die Live-Sets der Kanadierin immer wieder zum Erlebnis avancieren.
Mit ihrem Ehemann Pierre Guerineau bildet sie außerdem das erfolgreiche Minimal Wave-Duo Essaie Pas, das bereits auf dem Label DFA Records veröffentlichte. Neben zahlreichen weiteren Kollaborationen gründete sie zu Beginn ihrer Karriere mit Xarah Dion außerdem ein weiteres Duo namens Les Momies de Palerme.
Führt man sich Davidsons weitreichenden, abwechslungsreichen Output vor Augen, lässt das vor allem zwei Schlüsse zu: Dieser Frau macht einerseits niemand etwas vor, wenn es um elektronische Musik geht. Andererseits offenbaren ihre Stücke einen hemmungslos kathartischen, tragischen Charakter. Sie hadert mit dem Showgeschäft, seinen Akteuren und sich selbst gleichermaßen und betrachtet Musik als ihr einziges Refugium.
Das gibt sie auch gegenüber dem Spiegel preis: "Die Musik hat mir das Leben gerettet. Sie hat mir geholfen, der Mensch zu werden, der ich heute bin. Mein Studio ist der eine Platz in der Welt, den ich ausschließlich mit positiver Energie verbinde. Hier entsteht meine Musik, hier fühle ich mich zu Hause."
© Laut
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