Der DJ, Produzent und leidenschaftliche Ornithologe Dominik Eulberg spricht mit uns über sein neues Album ‘Avichrom’, eine musikalische Reise in das Reich der Vögel und ihrer Farbenpracht…

Wären wir alle ein bisschen wie Dominik Eulberg, so wäre die Welt wahrscheinlich ein besserer Ort - oder wir würden jedenfalls unseren Lebensraum und den der Tiere weit mehr respektieren. Denn wenn der gefeierte DJ und Musikproduzent gerade mal nicht in internationalen Clubs oder Festivals auftritt, geht er seiner Berufung als Ornithologe und studierter Biologe nach - ob als Autor, in Dokumentarfilmen oder Gastwissenschaftler im Museum für Naturkunde in Berlin - und setzt zentrale Zeichen in Biodiversität und Naturschutz, was sich unumgänglich auf seine Musik auswirkt. Wir durften den Künstler ein wenig kennenlernen und erhalten im gleichen Zuge eine gratis Biologie-Lehrstunde.

“Ich finde es faszinierend, sich vorzustellen, dass die Luft auf diesem Planeten schon voller Musik war, lange bevor an den Menschen überhaupt zu denken war, denn Singvögel gibt es nämlich schon mehr als 30 Millionen Jahre…” Die Faszination dieser Lebewesen hat Dominik Eulberg auf seinem neuen Album Avichrom für uns dokumentiert, indem er uns auf eine musikalische Reise in das Reich der Vögel und ihre “überbordende Farbenvielfalt” mitnimmt. Das Kunstwort “Avichrom”, von Eulberg selbst gewählt, leitet sich übrigens aus dem Lateinischen “avis” (Vogel) und “chroma” (Farben) ab und wir erkennen schnell: der Name ist Programm. Er selbst erklärt uns genauer: “Mutter Natur hat hier ihre komplette Farbpalette verwendet, so dass sich zu elf Farben namentlich eine heimische Vogelart finden lässt. Nach diesen Artnamen sind die elf Tracks des Albums benannt.”

Die Idee, die Tierwelt und ihre Klänge in seine Musik einfließen zu lassen, ist jedoch alles andere als neu. Bereits seit seiner frühesten Kindheit beschäftigte sich Dominik Eulberg mit Ornithologie und so war es für ihn als Jugendlichen ein ganz natürlicher Prozess, die beiden Passionen miteinander zu verbinden: “Ich hatte Kassetten mit Vogelstimmen, die ich aufgenommen hatte, und Kassetten mit Techno, und dann habe ich angefangen, sie zu mischen. Auf diese Weise brauchte ich keine teuren Synthesizer für meine Produktionen. Der Ziegenmelker oder Nachtschwalbe genannt, zum Beispiel, macht einen verrückten Sound wie ein Oszillator.” Wie hervorragend und einzigartig elektronische Musik mit Tierlauten zusammen funktioniert, wurde spätestens in seinem Debütalbum Flora & Fauna (2004) auch für alle anderen klar. Von dort an folgten zwei weitere Platten bei dem Label TRAUM Schallplatten, Heimische Gefilde und Diorama, bis er schließlich seit seinem letzten Album Mannigfaltigkeit bei dem renommierten Electronic-Label !K7 unter Vertrag steht.

© Natalie Luzenko

Mit Avichrom wird nun der Fokus auf das Reich der Vögel und ihre Farbenpracht gelegt, wobei die Auswahl der Farben, weniger auf synästhetische, sondern konzeptionelle Gründe zurückzuführen ist: “Ich gestalte immer erst das Konzept des Albums konkret aus und lasse sogar schon das Artwork machen, bevor ich anfange, die Musik zu machen. Musik machen an sich fällt mir oft schwer, es ist letztlich ja nichts anderes als eine Selektion aus unendlich vielen Optionen. Da kann man auch mal verrückt werden und in diesem unendlichen Meer der Möglichkeiten ertrinken. Mit einem klaren Konzept schaffe ich mir einen Rahmen in dem ich mich kreativ austoben kann.”

Dass sich das Album auf exakt elf Tracks beschränkt, ist demnach auch alles andere als Zufall, “denn man findet nur elf Farben namentlich in der heimischen Avifauna wieder. Für jeden Track habe ich mich von dem Charakter und Habitus der jeweiligen Vogelart inspirieren lassen, wie ein Maler, der ein Bild malt, habe ich dann ein Musikstück daraus gemacht. So „hört" man etwa die knallroten Augen des Schwarzhalstauchers, das geschwätzige Spotten des Gelbspötters, die Bedrohung des Braunkehlchens oder die freche Silbermöwe, während sie uns ne Pommes am Strand aus der Hand klaut.” Und tatsächlich lassen sich Track für Track die einzelnen Charaktere auf ihre unterschiedliche Weise erkennen. Sei es der Clubhit Purpurreiher, Downtempo-Stücke wie die wunderschönen Balladen Weißstorch oder Goldregenpfeifer sowie die Electronica-Tracks Grünfink oder Gelbspötter.

Konzept, Artwork, Musik - eine vielleicht ungewöhnliche Herangehensweise eines Musikers könnten man meinen, doch bei Dominik Eulberg schwimmt so einiges gegen den Strom. In bestimmte Kategorien gesteckt zu werden ist demnach alles andere als sein Ziel und würde auch gar nicht funktionieren, genauso wie der Vogel, in dem er sich am stärksten wiedererkennt: “Ich selber fühle mich aber am ehesten als ein Seetaucher: ein Eistaucher etwa oder ein Prachttaucher. Das sind Grenzgänger. Sie können schwimmen, tauchen, an Land laufen und sie können fliegen. Und das liebe ich ja auch so sehr – zu sublimieren, von einem Element ins andere zu switchen. Etwa Leute mit derben Technosets wegballern und sie danach mit auf eine Fledermauswanderung nehmen oder ihnen einen feinstofflichen Fachvortrag zu halten.”

Avichrom von Dominik Eulberg © !K7 Records

Es wird schnell klar, dass Dominik Eulberg über seinen Tellerrand hinaus blickt und mit seiner Kunst und Musik weiter denken möchte. Biodiversität und Naturforschung sind zentrale Themen in seinen Werken, was wir auch in seinem 2021 erschienenen Fachbuch Mikroorganismen überall bewundern können. Doch in Zeiten des Klimawandels scheint nicht nur die Zukunft unserer Natur, sondern auch die der Menschheit weit weniger rosig, wofür Eulbergs stets das Wort ergreift : “Wir leben in einem bemerkenswerten Zeitalter: Probleme wie die Klimakatastrophe, Artensterben oder Plastikmüll kennen wir und diese sind auch wunderbar erforscht – Lösungen liegen in der Schublade – aber dennoch ändert sich nichts und wir rennen weiter sehenden Auges auf den Abgrund zu, drohen als Homo suicidalis zu enden.” Alles also hoffnungslos? Nicht für Dominik Eulberg, der, anstatt zu resignieren, uns darauf aufmerksam macht, “die Schönheit und die Raffinesse der Natur als positive Lebensphilosophie zu nutzen.”

Dabei setzt Eulberg weniger auf zynische Parolen oder erzieherische Methoden, um die Menschen zu belehren, sondern auf eine kreative und gestalterische Projekte, die Wissenschaft mit der Kunst und Musik zu verbinden, wie beispielsweise die Transkribierung von Tierstimmen in Noten, die anschließend durch Synthesizer angespielt werden. Oder das „Fledermaus-Konzertprojekt“, bei dem Fledermaus-Ultraschall an das menschliche Gehör angepasst wird und mit diesen Sounds eine meditative Ambient-Musik entsteht. Solche Klanginstallationen würden dann auf Festivals in ruhiger Chill-Out Areas angebracht werden, wobei die “Fledermäuse die Musiker wären, die Headliner dieses Floors.”

Eines steht fest: Mit Avichrom sind - neben Dominik Eulberg - die eigentlichen Hauptdarsteller elf einzigartige Vögel, die er ganz alleine für sich sprechen lässt. Denn wie er selbst schon sooft deklarierte: “Natur ist einfach die größte Künstlerin von allen!”

HÖREN SIE "AVICHROM" VON DOMINIK EULBERG AUF QOBUZ