“Mit dir steht die Zeit still, du bist was ich will
Spürst du was ich fühl’, denn was ich fühl’ ist real
Es ist mehr als nur ein Spiel, ich lieb’ deinen Stil
Dein Sexappeal, komm’ relax mit mir
Will nichts tun, was du später mal bereuen wirst
Doch heut’ Nacht brauch’ ich bisschen mehr als Freundschaft
Bitte schau’ mich nicht so an, deine Blicke sind gefährlich
Ooh ehrlich, ich begehr’ dich (…)
Mit dir bleibt die Welt stehen
Denk’ nicht, dass wir uns nicht wiedersehen, wenn sie sich morgen weiterdreht
Ich weiß es ist schon spät, soll ich lieber gehen
Oder bei dir bleiben? Du bist mehr als nur mein Zeitvertreib
Ist es Einsamkeit, die aus deinen Augen spricht?
Lass’ die Zweifel sein und genieß' den Augenblick
Auch ich brauch’ dich
Es ist unglaublich, wie sehr du mir vertraut bist (…)”
- Mit dir auf Esperanto, Freundeskreis feat. Joy Denalane, 1999
“Seit ich dieses Lächeln gesehen habe
Das mich einst in seinen Bann zog
Ich habe eine Villa draußen am Meer
Wo niemand ist
Außer dir und mir
Und ich werde deine Überraschung sein
Nimm die rote Pille heute Abend
Und wir leuchten so hell
Als wären wir Diamanten (…)
Mit den Vöglen aufwachen
Denn oh man, wir verdienen es, endlich frei zu sein
Als wären wir die letzten beiden auf Erden
Leg deine Arbeit weg
Denn ich bin alles, was du brauchst (...)”
- Hideaway auf Willpower, Joy Denalane, 2023
Es war einmal …
Er ist auf der Suche nach einer Stimme für einen Song, der sich um eine ganz besondere Nacht dreht. Diese Art von Nacht, bei der man nicht weiß, ob daraus lebenslange gemeinsame Nächte werden oder man sie niemals wiedererleben wird. Für den Song Mit dir (Esperanto) reist die Soulsängerin Joy Denalane aus Berlin mit südafrikanischen Wurzeln 1999 in den deutschen Süden und erleuchtet das Künstlerkollektiv Freundeskreis. Rapper Max Herre findet mit Joy die Stimme seines Herzens. Die Welt sollte sich für immer verändern …
Denn nach der 1ste Liebe - eine Hommage an seine Heimat Stuttgart - kam Joy: “Ich zog 3 mal im Westen um, und zurück zu Mama/Dann in 2 Zimmer mit Terrasse mit dem Cash von Anna/Dann kam ne Queen aus Berlin/, damn musst mich verlieben/Ehe ein halbes Jahr verging wurd’ sie von mir schwanger/Mein erster Sohn wurd’ geboren, es war eng für uns vier …” (1ste Liebe, auf Max Herre, 2004).
Esperanto, die Sprache der Liebe
Auch Joy Denalanes “high class” und “viele Sprachen” verschmolzen mit der Ideale, dem Sprachgemisch der Stuttgarter Revoluzzer, die den Concious-Rap prägten, den häufig so kritisierten, engagierten und nachdenklichen Texten von Max Herre und dem Zusammenspiel à la The Roots von DJ Friction und Multiinstrumentalisten wie Don Philippe.
Reggae, sämtliche Einflüsse der World Music, Soul, Jazz und Funk fügten sich in wippenden Beats in einen Freundeskreis-Flow. Künstler wie Afrob, Brooke Russell, Sékou, Wasi und Gentleman schlossen sich ihnen als FK Allstars an und begleiten die beiden teilweise heute noch. Max und Joy legten in dieser Zeit gemeinsam die Grundpfeiler für ihre Karrieren und ein zukünftiges Leben.
Solo, aber immer gemeinsam.
Nachdem Max Herre erfolgreich solo weitergezogen war, zeigte er sich 2004 auf seinem Debütalbum Max Herre so soulig (Wie du bist, Zu elektrisch…) und so smooth wie nie zuvor (Anna ‘04). In So Easy bringt er seine Dankbarkeit an sein gesamtes Team, seine eigene kleine Musikerwelt, aber vor allem an seine Frau und Kinder zum Ausdruck: “Ihr seid mein Licht, ohne euch bin ich nichts ... dank dir süße Joy natürlich auch als Sängerin, kann gar nicht oft genug sagen, was für ein Fan ich bin …”. Joys Liebeserklärung an Max singt sie im Song ihres von ihm selbst produzierten Debütalbums Mamani, Was auch immer: " … Du hast ne’ Frau in mir, n’ Freund in mir, ne’ Schwester in mir, n’ Homie in mir, was auch kommen mag ich halt zu dir …”.
2007 bis 2011 legten sie eine Art Beziehungspause ein. Ihre Liebe aber pausierte niemals. In der Musik funktionieren Pausen manchmal wie ein Gedankenstrich. Sie bieten einen Moment des Innehaltens, ehe eine neue Phrase beginnt oder es in eine neue Tonart übergehen kann. In der Liebe zur Musik - der Baustein ihres gemeinsamen Fundaments - war keine Pause nötig. Der gegenseitige Respekt und die Bewunderung ihrer Kunst zogen sich durch ihre gesamte Arbeit. Sie unterstützen sich weiterhin, bis, wie Joy es in einem Interview preisgab, “sich die Liebe wieder eingeschlichen hat”.
Wie ist es, Fan von seiner eigenen Frau (oder seinem Mann) zu sein? Man produziert die Alben gemeinsam (oder gründet gemeinsam ein Label, Nesola, 2006), behält sich großen Respekt und seine eigene Freiheit bei und kreiert einen Sound, der sowohl etwas Individuelles in sich trägt als auch Gemeinsamkeiten offenbart. Diese Verbindung in ihrer Arbeit ist ein großer Teil ihres Lebens: “Neue Musik zu entdecken, zu spüren, wie beide darüber denken.
… Oft begeistert es uns an der gleichen Stelle. Es ist ein großer Teil des Fundaments der Beziehung, dass man etwas hat, was man teilt, und das möchte man in die Arbeit bringen.”, erklärte Herre einmal in einem Podcast mit Der Zeit.
Herres Soundküche
Für Joy Denalane waren Freundeskreis die erste deutsche Band, die sie für ihre eigene Musik inspirieren konnte. Rap ist für Herre Soulmusik (“Du wirst nie’n guter Rapper, wenn du Soul nicht liebst”, Rap ist mit Aloe Blacc auf Hallo Welt, 2012) mit dem er sich über die Grenzen der “Pimps und Bitches” und weitere Klischees des Hip Hop hinwegsetzt. Er redete ihr als Produzent ihrer Alben niemals rein, sofern sie ihn nicht um Ratschläge bat. Wenn sie Songs schrieben, diskutierten sie gemeinsam die zahlreichen Wege, die sie ans Ziel des perfekten Songs führten. Seine Produktionsweise war stets eine perfekte Ergänzung ihrer eigenen Ideen:
“Er hört Dinge, die ich nicht mehr höre. Er hat Zugang zu anderen Welten in der Soundwelt. Auch, wenn ich sagen kann, dass etwas gut ist … Aber welche Zutaten in welchem Moment wichtig sind, das kann Max.”
Diese “Zutaten” aus der Herreschen Sound-Küche hat er dank seines Sinns für Neues und den Antrieb, Altes aus der Musik einfließen zu lassen, zusammengetragen. Am besten bewies er das auf einem später erschienenen Album Athen (2019), für das er sich auf eine Reise nach Griechenland sowie in seine Vergangenheit begab und musikalisch mit neuen Klangwelten experimentierte.
Das Konzeptalbum Ein geschenkter Tag (2009), das während der Trennungsphase von seiner Frau erschien, spielte wiederum eine ganz andere Seite von Max aus: Das Cover zeigt ihn als Singer-Songwriter mit Gitarre auf dem Rücken, getextet wurde à la Bob Dylan, gesungen wie ein Folk-Star und Tipps und Einflüsse erhielt er von Clueso oder auch Udo Lindenberg. Eine Phase der Neufindung?
Das nach der Trennung von seiner Frau erschienene Hallo Welt! (2012) versprühte eine Art Comeback-Atmosphäre seines großartigen Rappertums. So als hätte er neben all den wunderbaren Gueststars wie Sophie Hunger (Berlin-Tel Aviv), Cro, Aloe Blacc und Samy Deluxe in allen Belangen zu seinen Wurzeln zurückgefunden. Und Bilanz zieht er auch mit einer versteckten Referenz an den Song 1ste Liebe und einem Lenny Kravitz-Sample: “… Ach wie schön ist Panama/Oft merkt man erst, wenn man woanders war, was man aneinander hat…/Wir suchen nach Liebe und rennen davon, wenn sie dann kommt. Doch was ist Freiheit, wenn du alleine feierst und welchen Wert hat Liebe, die nicht währt wie Familie. Man kann nicht immer fliegen, wir sind nicht schwindelfrei …” (Nicht vorbei (bis es vorbei ist)).
Das Denalane-Herre-Erfolgskonzept
Joy und Max hatten, was die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit anbelangt, ein gemeinsames Erfolgskonzept: Während der eine an seiner Karriere arbeitet, kümmert sich der andere um die Familie. Ein faires Abkommen, was den beiden ermöglichte, sich in bestimmten Phasen ganz und gar ihrer Musik zu widmen. Joy kletterte seit ihrem Debüt die Leiter zur deutschen Neo-Soul-Ikone immer weiter nach oben - Born & Raised (2006), für das sie mit erstklassigen Musikern der Szene arbeitete und sie auf eine Ebene mit Erykah Badu hievte, Maureen (2011), das sie in die amerikanischen Hip-Hop-Magazine brachte (“Germany’s finest (and we do mean finest) Joy Denalane is releasing her new LP Maureen today”, okayplayer.com) und Gleisdreieck (2017), das ihre Jugend und ihr Leben in Berlin thematisierte. Schließlich erreichte sie den Graal einer Soul-Queen: ein Album mit ihrem langjährigen Freund und Produzenten Roberto di Gioia bei Motown!
Die musikalischen Einflüsse, die auf diesem hervorragenden Let Yourself Be Loved (zwangsläufig!) eine große Rolle spielen, erwähnt auch Max Herre immer wieder, wenn er von seinen Vorbildern wie etwa Stevie Wonder und dem Sound der 70er-Jahre spricht. Seine vielen, von der Reggae-Szene gecoverten Songs öffneten Herre letztendlich auch die Türen zum Reggae. Denalane und Herre inspirieren sich von der Zusammenarbeit ausgezeichneter Musiker und Musikerinnen verschiedenster Genres, was Herre zu seinen jüngsten Produktionen im Jazz führte (neuestes Projekt 2023 mit di Gioia, Web Web x Max Herre).
Eine Sache ist den Herre-Denalanes besonders eigen. Die Themen, die sie durch ihre gemeinsame Geschichte verbinden und die sie wie kaum ein anderer Künstler oder eine andere Künstlerin mit ihren Fans teilen: Herkunft und Familie, Politik, Trennung, Liebe und Wiederfinden von Liebe, Reisen, Freiheit, Humor, Verlust und Neuanfang … Momentaufnahmen des Lebens!
Um eben diesen Neuanfang dreht sich unter anderem die Single aus Denalanes neuestem Opus Willpower, Hideaway - das von der neuen Freiheit als Paar handelt und klingt wie eine zweite Liebeserklärung nach 24 Jahren Beziehung! Für Max und Joy hat seit 2023 eine neue Lebensphase begonnen, in der die Kinder aus dem Haus sind und sie sich gegenseitig wieder neu entdecken, neue Arbeitsweisen entwickeln und sich nun gleichzeitig um ihre Projekte kümmern können: “Jetzt sind wir frei”, erklärt Joy im Interview, “während alle anderen Eltern noch mit Kindern und Schule beschäftigt sind. Wir arbeiten allerdings mehr denn je - aber das ist auch eine Form von Freiheit.”
Der Song Ruf deine Freunde an (mit Afrob) könnte den aktuellen Vibe Deutschlands souligsten Liebespaars nicht besser beschreiben, bei dem Afrob im Intro ruft: “Lass die Kinder zu Hause!” und Max und Joy einstimmig verkünden: “Komm wir machen die Nacht zum Tag, genauso wie früher!”
