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Depeche Mode

"To go from nothing to that in seven years was amazing". Bis heute denkt Labelboss Daniel Miller gerne an den Tag zurück, an dem Depeche Mode, die er 1980 im Vorprogramm von Fad Gadget in London entdeckt hatte, am 18. Juni 1988 das riesige Rose Bowl Stadion in Pasadena (Kalifornien) mit 70.000 Zuschauern ausverkauften. Unter all den hippen Synthiebands wie Soft Cell, Human League und OMD hatte er nachweislich den Goldesel aller UK-New Wave-Elektroniker für Mute Records gesignt. Obwohl sich auch Dave Gahan (Gesang), Andy Fletcher, Martin Gore und Vince Clarke Anfang der 80er grässlich kleiden, holten sie doch aus ihren analogen Synthesizern Melodien heraus, die rasch Englands Interesse wecken sollten. Das "New Life" als Popstars scheint schon 1981 beendet zu sein, als Songwriter Clarke (später Yazoo, Erasure, VCMG) bereits nach dem Debütalbum "Speak & Spell" abdankt. Der Tourstress. Keyboard-Blondie Martin Gore zeigt jedoch ungeahntes Kompositionstalent, indem er den Trällerkanonen seines Vorgängers auf dem zweiten Studioalbum "A Broken Frame" die nötige Spur Tiefgang in den Melodien folgen lässt. "Leave In Silence" von 1982 schwebt schon Welten über "Just Can't Get Enough". Bei "Construction Time Again" 1983 steigt Alan Wilder vom gebuchten Live-Musiker zum festen Bandmitglied auf und kommt damit pünktlich zur Erforschung der Sampling-Technik, die die Depeche-Songs jener Zeit prägt - der Song "Pipeline" besteht gar ausschließlich aus aneinander gereihten Samples. Diese später als Industrial-Phase bezeichnete Zeit führt das Quartett nach Berlin, wo die Hansa Studios mit Renommee (Bowie) und einem 56-Spuren-Mischpult locken. Gesamplet wird alles, was Geräusche erzeugt. Neubauten-Chef Blixa Bargeld, ebenfalls Hansa-Gast, wird später behaupten, DM hätten sich für ihren größten Hit mit Samples aus Neubauten-Restbeständen bedient, was Wilder als "lächerlich" bezeichnet. Besagter Hit heißt "People Are People", verdrängt am 26. April 1984 Alphavilles "Big In Japan" vom ersten Platz der deutschen Charts und wird fortan neben Queens "Radio Ga Ga" auf jeder Grillfete gegrölt. Mit dem Wirbel um die skandalträchtigen Lyrics in den Nachfolge-Hits "Master & Servant" (S&M) und "Blasphemous Rumours" (Gotteslästerung) füllen sich auch die Hallen der "Some Great Reward"-Tour 1984. In Ludwigshafen tritt man sogar auf einem Elton John-Festival auf (Mister Crocodile Rock prophezeit der Band nebenbei eine große Zukunft, ein Visionär?). Traurig endet ein Dezember-Konzert in Böblingen, wo ein Verrückter bei der Zugabe "See You" eine Rauchbombe zündet, die Panik auslöst, zum Glück aber keine Verletzten fordert. 1985 werden die Staaten angetestet. Den Erfolg verdanken DM wieder vor allem "People Are People", das zusammen mit einer Greatest Hits-Scheibe den Weg in die College Radios findet. Gore, der mittlerweile bevorzugt in Frauenkleidern und bunt geschminkt die Bühnen betritt und sich als Nightlife-Stripper einen Namen macht, spaltet zunehmend konservative Lager und wird zum Idol in homosexuellen Kreisen. Auf dieser Tour legen Mode auch den Grundstein für die umjubelte 88er Tour. Nach dem soundtechnisch eher stagnierenden "Shake The Disease" gerät die Single "It's Called A Heart" endgültig zur Blaupause interner Orientierungslosigkeit. Bis heute ist keines der Bandmitglieder mit dem Song zufrieden, Wilder habe gar "schon damals für das weit komplexere 'Fly On The Windscreen' als Single votiert". Mit "Black Celebration", wie die beiden Vorgänger in Berlin produziert, offenbart die Band ihre düsterste Seite, die Single "Stripped" zählt zu den stärksten Singles, die DM bis dato veröffentlichen (in den Staaten erscheint zum Ärger der Band die gefällige B-Seite "But Not Tonight" als Single). Mit dem holländischen Fotograf und Video-Regisseur Anton Corbijn betritt zudem eine bald nicht mehr weg zu denkende visionäre Kraft die DM-Bühne. Sein erstes Video für die Band ist "A Question Of Time". Obwohl die Singles nicht an frühere Chartserfolge anknüpfen und dementsprechend verhalten von Radiosendern aufgenommen werden, mausert sich das Album zum Geheimtipp einer ganzen Generation, auf dessen Schultern die Band bald zu Weltruhm getragen wird. Schon die "Black Celebration"-Tour wird zu ihrer bislang erfolgreichsten Tournee: Erstmals spielt die Band in der Berliner Waldbühne, im Forum Los Angeles vor 17.000 Besuchern und an drei aufeinanderfolgenden Abenden in New Yorks Radio City Music Hall. "Music For The Masses" zeigt eine Abkehr von früheren Sampling-Orgien hin zu organischeren Sounds. Das Album beschert der Band den Durchbruch in Amerika, ein Livealbum der "101"-Show und ein Video der Tour kommen in den Handel. Die Tour führt DM im März 1988 auch erstmals nach Ost-Berlin, wo man die vereinbarten 5000 Westmark Gage einnimmt und etwa 100.000 Mark Verlust macht. Auch hier werden sie von Fans (und Parteifunktionären?) lautstark gefeiert. Mit "Never Let Me Down Again" und "Behind The Wheel" erscheinen absolute Fan-Favourites als Singles, der Erstgenannte mausert sich zum vielleicht archetypischsten Track der Band. Schließlich 1990, das Jahr der Welteroberung. Mancher ahnt es bereits, als sich Ende '89 der bluesy Riffklotz "Personal Jesus" in die Plattensammlung früherer Mode-Hasser einschleicht und zu einer der bestverkauftesten US-Singles ever wird. Das Album "Violator" plus "Enjoy The Silence" als Popsingle par excellence sorgen dafür, dass die Jungs in aller Welt vor ausverkauften Hütten spielen. Diesem Meilenstein wird Jahrzehnte später auch ein Buch gewidmet, in dem Zeitzeugen aus dem Nähkästchen plaudern. Dass Sänger Dave Gahan drei Jahre später mit wallender Kurt Cobain-Matte den Grunge-Held himself als Rockerlöser beerben will, überrascht dann doch. Auch im Drogenkonsum ist er kein Chorknabe mehr, was zu diesem Zeitpunkt nur wenige wissen. Die Single "I Feel You" böllert mit Rückkopplungen à la Sonic Youth in die Charts und das 1993er Album "Songs Of Faith And Devotion" selbst wird zur offensichtlichsten Reminiszenz an den Zeitgeist seit Bandbestehen. Mit Nummer Eins-Platzierungen in Deutschland, England und den Staaten beginnt eine euphorische Welttournee, die böse enden sollte. 14 Monate verbringt man auf der Straße (174 Konzerte) und Dave als bekennender Jane's Addiction-Fan fühlt sich sichtlich wohl in der neuen Rolle als Rock-Gott. Mit der Bandchemie ists indes vorbei: alle Vier haben eigene Backstage-Räume, eigene Limos und wohnen in Hotels nicht nur auf verschiedenen Etagen sondern auch diagonal, damit niemand die After Show-Eskapaden eines Kollegen über/unter sich mitkriegt. Mitte 1994 endet die Mammut-Tour, Dave wandelt weiter eisern in Cobains Spuren und Technikgenie Alan steigt 1995 entnervt aus und werkelt seitdem am Soloprojekt Recoil. Wie 1997 "Ultra" erscheinen konnte, nachdem Gahan mit einem Selbstmordversuch und der Erfüllung sämtlicher Befürchtungen quasi untragbar wurde, bleibt ein Rätsel. Die Rückkehr beeindruckt durch düstere und minimale Elektronikklänge fernab von Bombast-Arrangements, einzig "Barrel Of A Gun" erinnert noch an DMs Gitarrenphase. Die von Tim Simenon (Bomb The Bass) produzierte Scheibe schlägt ein und holt gleichzeitig einige alte Synthie-Fans zurück. 1998 wagt das Trio eine auf fünf Monate abgespeckte Welttour, die auch der wieder nüchterne Dave gut übersteht. "Exciter" erscheint 2001, das mit einem minimalistischeren, digitalen Sound daherkommt und mit gemischten Gefühlen von der Presse aufgenommen wird. Zwei Jahre später konzentrieren sich alle drei erstmal auf Soloprojekte. Gahan veröffentlicht sein erstes Soloalbum, Gore sein zweites und Andy Fletcher gründet sein eigenes kleines Label für elektronische Musik. Ab "Playing The Angel" (2005) beteiligt sich auch Sänger Gahan am Songwriting, im DM-Kontext eine mittelgroße Revolution. Die Popularität der Band beeinträchtigt diese interne Neuorientierung nicht im Geringsten. Auf der anschließenden Tour bespielen Depeche Mode knapp drei Millionen Menschen in 31 Ländern. Nach einem Label-Wechsel zu EMI Music erscheint 2009 "Sounds Of The Universe", das die Charts in über zwanzig Ländern toppt und eine Grammy-Nominierung einfährt. Die dazugehörige Tour muss allerdings unterbrochen werden, nachdem sich Gahan eine Magen-Darm-Entzündung zulegt und im Krankenhaus dann ein Tumor festgestellt wird, der entfernt werden muss. Es folgt ein erneuter Labelwechsel zu Columbia Records, auf dem dann im März 2013 "Delta Machine" erscheint. Dafür erhalten sie dann ihren mittlerweile zweiten Echo und müssen sich in der Kategorie "Album Des Jahres" Helene Fischer geschlagen geben. Das 14. Studioalbum trägt den Namen "Spirit" und erscheint 2017. Federführend ist hierbei Produzent James Ford, der u.a. schon bei den Arctic Monkeys, Florence And The Machine und Mumford & Sons Hand anlegte. Depeche Mode zählen live zu den Big Playern des Geschäfts und spielen auf ihrer Delta Machine-Tour 2013 in 32 Ländern vor 2,4 Millionen Menschen. Im Single-Ranking sind sie seit 1977 die erfolgreichste Band aller Zeiten, die zusammengerechnet 575 Wochen in der Hitliste rangierte. In den Abendstunden des 26. Mai 2022 vermeldet die Band den Tod von Keyboarder Andy Fletcher. Der 60-Jährige starb an einer Aortendissektion. Die Nachricht löst allgemeines Bestürzen aus, zumal Fletcher sein eskapadenfreies Leben vollständig und bei bester Gesundheit zu genießen schien. Neben den Pet Shop Boys, Timo Maas, OMD, Soft Cell, Jürgen Engler (Die Krupps), New Order, Sister Bliss (Faithless) und seinen alten Schulfreunden Vince Clarke und Alison Moyet von Yazoo kondolierte auch sein früherer Depeche Mode-Kollege Alan Wilder: "Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf mich gestern die Nachricht meines ehemaligen Depeche Mode-Kollegen Andy Fletcher. Meine Gedanken und mein Beileid in dieser schwierigen Zeit sind bei seiner Frau Grainne und seiner ganzen Familie. RIP Fletch." Am Nachfolger von "Spirit" wurde allerdings schon lange zuvor gearbeitet. Auf einer Pressekonferenz in Berlin teilen die verbliebenen Mitglieder Gore und Gahan im Oktober mit, dass am 24. März 2023 mit "Memento Mori" das 15. Studioalbum von Depeche Mode erscheint. Im Anschluss daran geht die Band auf Welttournee. Wie 2017/18 buchten die Briten hierfür Stadien und Open-Air-Arenen. Als Vorabsingle erscheint bereits im Februar der Song "Ghosts Again". Die Stadiontour wird zum Triumphzug, von Berlin bis München lassen sich Gore und Gahan von den Massen feiern und spielen konsequenterweise auch den Song, der das Verhältnis von Fans und Band präzise zusammenfasst: "Just can't get enough". So verwundert es auch kaum, dass Depeche Mode in 2024 eine Hallentournee durch Europa folgen lassen.
© Laut

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