Lyambiko
"Kurz bevor ich dran war, vor Lampenfieber schon ganz krank, ging ein Raunen durch den Club: Mark Murphy ist da. Murphy, ein Urgestein des Jazz, setzte sich an die Bar, wo er mit irgendjemandem quatschte. Ich rechnete nicht damit, dass er mir zuhörte. Später erfuhr ich, dass ihn der Chef des Ladens angerufen hatte, er solle schnell kommen und mich hören. Es war wie in Hollywood." Das war im Jahr 2000 im Berliner Jazzclub A-Trane.
Kurz darauf formiert sich Lyambiko. Der amerikanische Pianist Marque Lowenthal, der Bassist Robin Draganic (Kroatien) und der deutsche Schlagzeuger Torsten Zwingenberger spielen schon einige Jahre als Trio zusammen, doch erst als Sandy Müller die Rolle der Frontfrau übernimmt, eröffnen sich unerwartete musikalische und kommerzielle Möglichkeiten.
Es folgen zwei Alben bei einem kleinen Hamburger Jazzlabel, danach wechselt die Crew zu Sony/BMG. "Shades Of Delight" (2003) klettert bis auf Platz zwei der deutschen Jazz-Charts. "Lyambiko" (2005) sowie "Love … And Then" (2006) erhaschen jeweils einen Jazz-Award und "Saffronia" (2008) geht mit einer Echo-Nominierung in der Kategorie 'Bestes Jazzalbum' aus dem Rennen.
In den Jahren 2001 bis 2006 erspielt sich die Band in über 400 Konzerten neben einem hervorragenden Ruf auch jede Menge Live-Erfahrung, die sie in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Tschechien, Polen und den USA sammeln. 2006 ersetzt Heinrich Köbberling Torsten Zwingenberger am Schlagzeug. "Wenn ich mit Marque, Robin und Heinrich auf die Bühne gehe, dann nehmen wir auf, was wir sehen, hören, fühlen, und geben das wieder. Wir machen nicht Musik, wir lassen sie geschehen und beeinflussen sie mit unseren Stimmungen und Gefühlen", schwärmt die deutsch-afrikanische Sängerin.
Das Repertoire von Lyambiko rekrutiert sich sowohl aus eigenen Kompositionen, wie auch - im Jazz üblich - aus dem Repertoire des Real Books, der Bibel aller Jazzer und Jazzerinnen. Gemischt aus Swing, Latin, Soul und Pop, servieren die Jungs um Frontfrau Sandy Müller eine intimes Gebräu ihres modernen Jazz-Verständnisses.
"Vor ein paar Jahren hatten wir Jobims 'Dindi' im Programm. Den Schluss des Stückes haben wir relativ offen gehalten mit einer möglicherweise etwas vom Pop angehauchten Improvisation am Ende. Ein leicht ergrauter Herr hat später seiner Empörung Luft gemacht, dass das ja gar kein Jazz sondern Popmusik sei, was wir da spielten. Ich muss noch immer schmunzeln, wenn ich daran denke. Wenn Nina Simone in einem Stück Bach zitierte, kam man doch auch nicht plötzlich aus einem klassischen Konzert", grinst Sandy Müller, deren Künstlername Lyambiko der Nachname ihres aus Tansania stammenden Vaters Raphael Appolinari Lyambiko ist.
Das Licht der Welt erblickt sie 1976 im thüringischen Greiz. "Ihre schöne junge Mutter, beherrscht von einer unter DDR-Menschen verbreiteten Weltsehnsucht, verliebte sich in einen Fremden, in Herrn Lyambiko, der nach Abschluss seines Studiums nach Afrika zurück kehren muss. Seine Tochter ist noch klein, als er fort geht," beschreibt Jutta Voigt in der Zeit Lyambikos Kindheit. "Ich habe nicht vergessen, woher ich komme", ergänzt die Sängerin im laut.de-Interview.
"Saffronia", mit dem sie für einen Echo in der Kategorie 'Beste Jazzproduktion" nominiert wird, ist Lyambikos erklärten Idol Nina Simone gewidmet. Auf der dazugehörigen Tour zusammen mit Curtis Stigers spielt sie in so prestigeträchtigen Venues wie der Berliner Philharmonie, dem Prinzregententheater in München und der Alten Oper in Frankfurt/Main. Dann macht sie erstmal Babypause, denn ihrer bodenständigen Bescheidenheit kann der zunehmende Erfolg wenig anhaben. "Ich bin so froh und dankbar um meine Familie, welche mich daran glauben lässt, dass es sich weiterzumachen lohnt."
Dank ihrer Vielseitigkeit erobert sich Lyambiko eine herausragende Position innerhalb der bundesdeutschen Jazz-Szene. 2011 unterstreicht der Gewinn des ECHO-Awards in der Kategorie Beste Sängerin National ihren Status. Weg von allzu vordergründigen Lounge-Piano-Sounds entwickelt sich die Thüringerin immer stärker zu einer überzeugenden Sängerin.
© Laut
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