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Okay, ich lag falsch. Zehn Jahre ist es her, da wäre ich angesichts der katastrophalen künstlerischen Selbstaufgabe namens "Light At The End Of The World" jede Wette eingegangen, dass eher George W. Bush das Kyoto-Protokoll unterschreibt oder Vince Clarke und Alan Wilder gemeinsam zu Depeche Mode zurückkehren, ehe Erasure "ihrem klassischen Synthie Pop-Sound jemals ein dringend notwendiges Update verpassen", um mich selbst zu zitieren, was ich auch schon immer mal machen wollte.
Heute weiß fast niemand mehr, was ein Kyoto-Protokoll ist, Alan Wilder versteckt sich nach wie vor ungebührlich im Vorruhestand, aber Erasure, diese ewig fröhlichen Henna-Maler des Synthie-Pop, sie lieben immer noch dieses Leben, das ein Quiz ist, wie wir seit Hape Kerkeling wissen, und manchmal bunter als jedes Mika-Albumcover. Diese von Erasure vor 32 Jahren als Grundgefühl für ihre Musik übernommene Ästhetik entschuldigt auch im Rückblick nicht musikalische Fehltritte, wie sie auch auf "Tomorrow's World" 2011 zu erdulden waren.
Aber wie beim Quiz öffnet sich eben auch einmal das falsche Türchen. Nachdem Erasure diese Erfahrungen hinter sich gebracht haben, liegen sie wieder voll in der Spur. Wie viele Legenden der 80er Jahre kämpfen Bell und Clarke mit jedem neuen Album gegen die Übermacht der Klassiker. Oft neigt man als Rezipient dazu, besonders wenn man in jener grauen Zeit schon Fan war, die neuen Songs gegen die alten aufzurechnen. Um so schöner, dass uns Erasure hierzu 2017 keine Gelegenheit mehr geben. (An alle alten Fans: Gemerkt, dass der Cover-Schriftzug "World" exakt den des 1990er Albums "Wild" reproduziert?)
Attestierte Kollege Kabelitz dem letzten Album "The Violet Flame" 2014 schon eine ungeahnte Entschlossenheit, den Pop-Thron von einst zurück erobern zu wollen, sind die in den USA lebenden Briten diesem Ziel nun noch ein Stückchen näher gekommen. "World Be Gone" ist im direkten Vergleich zum Vorgänger ruhig ausgefallen. Wer bei Erasure vor allem ihre Balladen liebt, darf Großes erwarten.
Hiervon ausdrücklich ausgenommen ist die sonnendurchtränkte Vorabsingle "Love You To The Sky", deren herrliche "Chorus"-Referenz gleich das LP-Soundtemplate vorwegnimmt und die danach scheinbar alle Ingredienzien eines Erasure-Hits aufweist. Der ultra-eingängige Refrain nutzt sich leider schneller ab, als Bell "sky, sky, sky, sky" auf "lies, lies, lies, lies" reimt. Obendrein kommt einem das alles viel zu bekannt vor, diese Melodie, die haben sie doch geklaut, wahrscheinlich bei sich selbst, oder schlimmstenfalls noch bei Starship. Jedenfalls singe ich bei Bells Refrain-Abgang "You can be my summer romance / say it's not an omen / Tell me that you want me" gleich noch den Refrain der 80er-Plastikrock-Monster mit ("And we can build this dream together / Standing strong forever / Nothing's gonna stop us now"). Hilfe. Andy Bells inflationärer Gebrauch des Koseworts "Baby" macht es nicht besser.
Abhaken, weiterhören. Das sublime "Be Careful What You Wish For!" ist ein früher Höhepunkt, in dem nicht nur Bells Stimme strahlt wie lange nicht mehr, sondern auch Clarke seinen Maschinenpark aufs Wesentliche runterdimmt. Die bei Erasure in den letzten Jahren immanente Belanglosigkeit ist wie weggeblasen: Andy Bell und Vince Clarke liefern wieder betörende Melodien und gewichten Kitsch und Emotion im richtigen Verhältnis. Autotune not allowed.
Staatstragend croont Bell danach im Titeltrack "World Be Gone" dem Thema angemessen, auch wenn die zeitkritischen Texte erst später kommen. Sogar die Integration gregorianischer Chöre misslingt diesmal nicht ("A Bitter Parting"). Wie das Duo zu den jüngsten Entwicklungen der Weltgeschichte steht, kommt spätestens im dunkel dräuenden "Oh What A World" zum Vorschein: "I want to be the in the witness protection programme / I don't like what we've become ... what a lost opportunity / don't be upset with me / what about all the secrets here on earth / We un-bottled the genie living out fantasies / fell for the propaganda badly." Kurz danach holt der in Florida lebende Sänger dann zum finalen Schlag aus: "Don't take the moral high ground hide behind your fake words it's just an excuse for your weakness." Längst hat man hier wieder vergessen, dass "Sweet Summer Loving" zuvor gröbere Stottergeräusche in Bells-Textmotor vernehmbar machte ("Baby you're the best thing / Baby you're a blessing / Baby you're the greatest thing").
Vielleicht weil das 17. Erasure-Studioalbum ohne große Sound-Opulenz auskommt, erscheint es beim ersten Höreindruck seltsam ungreifbar. Der Wucht der politischen Ereignisse und der Geschwindigkeit des digitalen Zeitalters setzen Clarke und Bell ein betont entschlacktes Werk entgegen. Und enden am Schluss des Albums da, wo sie hingehören, da, wo wir alle hingehören, obwohl der Weg auch 2017 so weit erscheint: "Just a little love not the hate that's calling / Just a little love and the walls start falling." Es könnte so einfach sein.
© Laut
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
2017 Mute Artists Ltd. 2017 Mute Artists Ltd.
Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
2017 Mute Artists Ltd. 2017 Mute Artists Ltd.
Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
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Andy Bell, Composer - Vince Clark, Composer - Matty Green, MixingEngineer - Erasure, Producer, MainArtist
2017 Mute Artists Ltd. 2017 Mute Artists Ltd.
Albumbeschreibung
Okay, ich lag falsch. Zehn Jahre ist es her, da wäre ich angesichts der katastrophalen künstlerischen Selbstaufgabe namens "Light At The End Of The World" jede Wette eingegangen, dass eher George W. Bush das Kyoto-Protokoll unterschreibt oder Vince Clarke und Alan Wilder gemeinsam zu Depeche Mode zurückkehren, ehe Erasure "ihrem klassischen Synthie Pop-Sound jemals ein dringend notwendiges Update verpassen", um mich selbst zu zitieren, was ich auch schon immer mal machen wollte.
Heute weiß fast niemand mehr, was ein Kyoto-Protokoll ist, Alan Wilder versteckt sich nach wie vor ungebührlich im Vorruhestand, aber Erasure, diese ewig fröhlichen Henna-Maler des Synthie-Pop, sie lieben immer noch dieses Leben, das ein Quiz ist, wie wir seit Hape Kerkeling wissen, und manchmal bunter als jedes Mika-Albumcover. Diese von Erasure vor 32 Jahren als Grundgefühl für ihre Musik übernommene Ästhetik entschuldigt auch im Rückblick nicht musikalische Fehltritte, wie sie auch auf "Tomorrow's World" 2011 zu erdulden waren.
Aber wie beim Quiz öffnet sich eben auch einmal das falsche Türchen. Nachdem Erasure diese Erfahrungen hinter sich gebracht haben, liegen sie wieder voll in der Spur. Wie viele Legenden der 80er Jahre kämpfen Bell und Clarke mit jedem neuen Album gegen die Übermacht der Klassiker. Oft neigt man als Rezipient dazu, besonders wenn man in jener grauen Zeit schon Fan war, die neuen Songs gegen die alten aufzurechnen. Um so schöner, dass uns Erasure hierzu 2017 keine Gelegenheit mehr geben. (An alle alten Fans: Gemerkt, dass der Cover-Schriftzug "World" exakt den des 1990er Albums "Wild" reproduziert?)
Attestierte Kollege Kabelitz dem letzten Album "The Violet Flame" 2014 schon eine ungeahnte Entschlossenheit, den Pop-Thron von einst zurück erobern zu wollen, sind die in den USA lebenden Briten diesem Ziel nun noch ein Stückchen näher gekommen. "World Be Gone" ist im direkten Vergleich zum Vorgänger ruhig ausgefallen. Wer bei Erasure vor allem ihre Balladen liebt, darf Großes erwarten.
Hiervon ausdrücklich ausgenommen ist die sonnendurchtränkte Vorabsingle "Love You To The Sky", deren herrliche "Chorus"-Referenz gleich das LP-Soundtemplate vorwegnimmt und die danach scheinbar alle Ingredienzien eines Erasure-Hits aufweist. Der ultra-eingängige Refrain nutzt sich leider schneller ab, als Bell "sky, sky, sky, sky" auf "lies, lies, lies, lies" reimt. Obendrein kommt einem das alles viel zu bekannt vor, diese Melodie, die haben sie doch geklaut, wahrscheinlich bei sich selbst, oder schlimmstenfalls noch bei Starship. Jedenfalls singe ich bei Bells Refrain-Abgang "You can be my summer romance / say it's not an omen / Tell me that you want me" gleich noch den Refrain der 80er-Plastikrock-Monster mit ("And we can build this dream together / Standing strong forever / Nothing's gonna stop us now"). Hilfe. Andy Bells inflationärer Gebrauch des Koseworts "Baby" macht es nicht besser.
Abhaken, weiterhören. Das sublime "Be Careful What You Wish For!" ist ein früher Höhepunkt, in dem nicht nur Bells Stimme strahlt wie lange nicht mehr, sondern auch Clarke seinen Maschinenpark aufs Wesentliche runterdimmt. Die bei Erasure in den letzten Jahren immanente Belanglosigkeit ist wie weggeblasen: Andy Bell und Vince Clarke liefern wieder betörende Melodien und gewichten Kitsch und Emotion im richtigen Verhältnis. Autotune not allowed.
Staatstragend croont Bell danach im Titeltrack "World Be Gone" dem Thema angemessen, auch wenn die zeitkritischen Texte erst später kommen. Sogar die Integration gregorianischer Chöre misslingt diesmal nicht ("A Bitter Parting"). Wie das Duo zu den jüngsten Entwicklungen der Weltgeschichte steht, kommt spätestens im dunkel dräuenden "Oh What A World" zum Vorschein: "I want to be the in the witness protection programme / I don't like what we've become ... what a lost opportunity / don't be upset with me / what about all the secrets here on earth / We un-bottled the genie living out fantasies / fell for the propaganda badly." Kurz danach holt der in Florida lebende Sänger dann zum finalen Schlag aus: "Don't take the moral high ground hide behind your fake words it's just an excuse for your weakness." Längst hat man hier wieder vergessen, dass "Sweet Summer Loving" zuvor gröbere Stottergeräusche in Bells-Textmotor vernehmbar machte ("Baby you're the best thing / Baby you're a blessing / Baby you're the greatest thing").
Vielleicht weil das 17. Erasure-Studioalbum ohne große Sound-Opulenz auskommt, erscheint es beim ersten Höreindruck seltsam ungreifbar. Der Wucht der politischen Ereignisse und der Geschwindigkeit des digitalen Zeitalters setzen Clarke und Bell ein betont entschlacktes Werk entgegen. Und enden am Schluss des Albums da, wo sie hingehören, da, wo wir alle hingehören, obwohl der Weg auch 2017 so weit erscheint: "Just a little love not the hate that's calling / Just a little love and the walls start falling." Es könnte so einfach sein.
© Laut
Informationen zu dem Album
- 1 Disc(s) - 10 Track(s)
- Gesamte Laufzeit: 00:39:11
- Künstler: Erasure
- Komponist: Various Composers
- Label: Mute
- Genre: Pop/Rock Rock Alternativ und Indie
2017 Mute Artists Ltd. 2017 Mute Artists Ltd.
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