Der herausragende Schlagzeuger, der seit mehr als zehn Jahren aktiv ist und zu den wichtigsten Figuren der aktuellen englischen Jazzszene zählt, veröffentlicht endlich sein erstes Soloalbum. Eine Qobuzissime-Groove-Bombe, die den Jazz mit allen Zeiten verbindet.

Schon in den ersten Sekunden von The Light hört man die sanfte Stimme eines Kindes, die in die kristallklaren Noten eines traumhaften Synthesizers gehüllt ist. Es ist die Stimme der Tochter von Yussef Dayes. Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem er in der brodelnden Londoner Jazzszene geglänzt hat, hat sich der in Lewisham, im Südosten der britischen Hauptstadt, lebende Schlagzeuger endlich dazu entschlossen, sein erstes Soloalbum Black Classical Music zu veröffentlichen, das er auf Gilles Petersons Label Brownswood Recordings herausbringt. Solo, ja und nein. Denn wie immer bei Dayes dreht sich natürlich alles um das Teilen und die Zusammenarbeit. Das führt zu einer ganzen Reihe von Gästen, darunter der unumgängliche Saxophonist Shabaka Hutchings, die jamaikanischen Sänger Chronixx und Masego, die Soul-Sister Jamilah Barry, der Gitarrist Tom Misch, der Pianist Elijah Fox, die Trompeterin Sheila Maurice Grey, die Cross-Brüder Nathaniel und Theon, und nicht zu vergessen das Chineke! Orchestra, das erste Pro-Orchester in Europa, das sich aus überwiegend schwarzen und ethnisch vielfältigen Musikern und Musikerinnen zusammensetzt.

© Danika Magdelena
Yussuf Dayes

Vielfalt der Persönlichkeiten für eine stilistische Vielfalt. Die Identität dieser Qobuzissime-Platte mag zwar im tiefen Inneren jazzig sein, und ist dabei aber eine Farandole der Klänge in den Ohren! Fusion Jazz oder Smooth Jazz, Reggae, Nu Soul, New Age, R’n’B — nichts fehlt, ohne in ein sinnloses Patchwork zu münden. Diesen Eklektizismus hat Dayes kürzlich in einem Interview mit der Monatszeitschrift The Face angesprochen: “Einige Songs sind eher zum Zuhören und Entspannen gedacht, bei anderen kann man tanzen und sich bewegen. Es ist offen für Interpretationen, das Album kann jedem gefallen. Ich möchte nicht, dass es in Stein gemeißelt ist. Das ist es, was so schön an Instrumentalmusik ist”.

Vor Black Classical Music war Yussef Dayes nicht untätig. Der Fan von Tony Allen (Felas legendärem Schlagzeuger) und Carlton Barrett (ein weiteres geniales Mitglied von Bob Marleys Wailers) hielt bereits im Alter von nur vier Jahren seine ersten Stöcke in der Hand. Sein Name erhielt Anfang der 2000er zum ersten Mal Aufmerksamkeit, als er zusammen mit dem Saxophonisten Wayne Francis sowie seinen Brüdern Ahmad Dayes an der Posaune und Kareem Dayes am Bass United Vibrations gründete. Eine Combo, die Afrobeat und Cosmic Jazz miteinander verbindet. Aber der wahre Durchbruch folgte 2016, als Dayes sich mit dem Keyboarder Kamaal Williams unter dem Namen Yussef Kamaal verbündetet und Black Focus veröffentlichte, ein Meisterwerk der Fusion, das die Geister von Roy Ayers, Lonnie Smith, den Headhunters und den Brasilianern von Azymuth weckt. Das letzte große Projekt von Yussef Dayes ist seine Duo-Platte mit dem Gitarristen und Multi-Instrumentalisten Tom Misch, What Kinda Music, die 2020 bei Blue Note erschienen ist. Ein Qobuzissime und ein wunderbarer Trip des Soul’n’Pop-Jazz.

Alles, was Yussef Dayes anfasst, dreht sich um einen vielseitigen Zugang zum Rhythmus. Es ist ihm ein Leichtes, Beats aus den verschiedensten Richtungen aneinanderzureihen, eine Vielfalt, die zweifellos mit dem kaleidoskopischen Aspekt des Jazz zusammenhängt. “Was ist Jazz? Woher kommt das Wort?”, fragt sich der englische Schlagzeuger. “Geboren in New Orleans, geboren im Bauch des Mississippi, verwurzelt im Gumbo-Topf der Karibik, der südamerikanischen Kultur und den afrikanischen Ritualen. Er verfolgt eine Linie von Miles Davis, Rahssan Roland Kirk, Nina Simone, John Coltrane und Louis Armstrong, eine Musik, die sich ständig weiterentwickelt und in ihrem Potenzial keine Grenzen kennt. Der Groove, sein Gefühl, die Kompositionen, die Spontaneität, mit der Liebe zur Familie, der Disziplin, der Hingabe, um das sehr hohe Niveau zu halten, das vom Pantheon der klassischen schwarzen Musiker:innen festgelegt wurde. Auf der Suche nach dem Rhythmus der Trommeln, die den Herzschlag nachahmen, nach Melodien für Gehirn und Geist, nach dem Bass für den Kern. Ein königlicher Klang für diesen musikalischen Korpus”. Auf Black Classical Music werden all diese Klänge — Fusion Jazz, Smooth Jazz, Soul, Reggae, Funk und karibischer Musik — zu einer Familie, die in ihrer Vielfalt zusammenhält. Und da es um die Familie geht, schließt das Album mit Cowrie Charms, an dessen Ende die Stimme einer Frau zu hören ist, die einen Yoga-Kurs abhält: Es ist die Stimme von Yussef Dayes’ Mutter, die 2015 an Brustkrebs starb. Eine intensive Hommage. Intensiv wie diese Platte, die für die Ewigkeit gemacht ist…