Rhiannon Giddens, eine der wichtigsten amerikanischen Folk-Vertreterinnen, ist zurück mit einem Album, das die gesamte Musik des Südens in sich vereint.

Das neueste Werk von Rhiannon Giddens ist eine Überraschung und ein Genuss - eine Mischung aus Folk, den wir von der Grammy-Gewinnerin gewohnt sind, aber auch eine Menge soliden Soul. Diese neue Mischung passt sehr, sehr gut zu ihr, denn Giddens verwandelt sich im frechen Opener Too Little, Too Late, Too Bad in eine Funkdiva - ein Abschiedsgruß an einen Ex, der versucht, wieder mit ihr zusammenzukommen. Unterstützt von großen, hellen Bläsern, Shoop-Shoop-Backing-Vocals und einem munteren Beat, knurrt Giddens ihre Warnung vor “just an old dog with old tricks”. Das mitreißende, basslastige Wrong Kind of Right macht da weiter, wo Amy Winehouse tragisch aufgehört hat. Und You’re the One ist eine faszinierende Kombi: Eine Mischung aus stolzierendem Soul und soliden Beats des Produzenten Jack Splash, gepaart mit Giddens’ zartem Banjo. Der Song bricht im Refrain weit auf und wird dann folkig. Giddens ist nicht die Einzige, die Spaß hat.

Duettpartner Jason Isbell geht bei Yet to Be, einer rootsigen Blues-Nummer im Stil von Janis Joplin, richtig ab. Die beiden starken Stimmen und Persönlichkeiten tauschen Strophen aus und weben eine ausgelassene Harmonie. Die Beats und Bläser werden in Another Wasted Life, einer Chronik der Brutalität in Amerikas Justiz- und Gefängnissystemen, bedrohlich: “Doesn’t matter what the crime/ If indeed there was the time/ He’s given solitary time ... It’s a torture of the soul/ The narrow confines of control/ Thrown down the stinking hole/ With no hope of release,” (Es spielt keine Rolle, was für ein Verbrechen begangen wurde/ Wenn es tatsächlich die Zeit dafür gab/ Er bekommt Einzelhaft ... Es ist eine Qual für die Seele/ Die engen Grenzen der Kontrolle/ In das stinkende Loch geworfen/ Ohne Hoffnung auf Befreiung) singt Giddens. Aber sie findet Befreiung, wenn nicht gar Erleichterung, indem sie die Titelzeile des Refrains singt und sich in andere Höhen begibt, in denen sie die Vokalisationen in die Länge zieht.

Die zweite Hälfte des Albums ist eher traditionell, aber keineswegs durchschnittlich oder vorhersehbar. Giddens treibt in You Louisiana Man mit dem zitternden Akkordeon von Dirk Powell Unfug in den Bergen und legt in If You Don’t Know How Sweet It Is auf süße Weise das Gesetz fest, indem sie sich gegen einen Partner wehrt, der über ein zähes Steak, laute Kinder und ungefaltete Wäsche meckert: “You’re good, but I’ll find better/ And it’ll be without your bitching/ If you don’t know how sweet it is/ Get on outta my kitchen!” (Du bist gut, aber ich werde etwas Besseres finden/ Und das ohne dein Gezicke/ Wenn du nicht weißt, wie süß es ist/ Verschwinde aus meiner Küche!) Hen in the Foxhouse ist schwül und verspielt, mit einem wilden Rhythmus. Das jazzige You Put the Sugar in My Bowl kokettiert mit der alten Zeit, und im verträumten Who Are You Dreaming Of wird Giddens ganz zu Ella Fitzgerald, denn ihre Stimme wirkt wie eine akustische Zeitreise.