Running Backwards

Albumbeschreibung

Das Trio des französischen Pianisten Andy Emler machte zwei große Alben, „Tee Time“ (2003) und „À quelle distance sommes-nous?“ (2006), die dem Piano-Trio-Format neue Horizonte eröffneten. Das Kleinlabel In Circum Girum, bei dem sie erschienen waren, gibt es leider nicht mehr. Unverhofft aber beschert uns Emler hier eine erweiterte Version seiner Trio-Expeditionen. Mit der Einladung an den Gitarristen Marc Ducret und der Vorstellung einer neuen siebenteiligen Suite, also mit dem Plattendebüt dieses neuen Quartetts. Voilà, wir erleben hier die Geburt einer erstaunlichen Band. „Running Backwards“ einlegen, hinsetzen, Augen schließen und staunen. Ein kleines melodisches Fragment aus fünf Tönen, das leitmotivisch in Track 2 und 4 ertönt, wirkt wie die in Tee getauchte Madeleine Prousts. Schon drehen sich die Spulen der Erinnerung, aber nichts wiederholt sich während der Suite, die vier Spieler schaffen eine Spannung wie im Theater. Fünfter im Bunde ist der Toningenieur Gérard de Haro, der diesen ausgeprägten Sinn für Dramatik brillant eingefangen hat – laut/leise, schnell/langsam, volle Power gegen tiefe Stille. Wuchtig legen Kontrabass und Drums im Titelstück los, bevor als zweites Thema die „Madeleine“, das traumhaft schöne Leitmotiv, erklingt, das später im treffend betitelten „Sad and Beautiful“ wieder auftauchen wird. Andy Emler ist ein Komponist, der fern vom Klavier im TGV bei 300 km/h Musikstücke schreiben kann. Schier unglaublich Marc Ducrets aufregende Diskurse, von Emler zu Recht ins Großformat gesetzt. Da dieser Gitarrist sich nur ungerne in Studios aufhält, gibt es von seinem Trio kaum offizielle CDs. Ducrets jahrelange Erfahrung mit Echampard kommt hier ebenso zum Tragen wie Tchamitchians grandioses Bassspiel, zum Beispiel die gestrichenen Passagen gegen Ende des Titelstücks.
© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de