Fanta 4 schreiben 33 Jahre Bandgeschichte und präsentieren uns mit ‘The Liechtenstein Tapes’ 15 Studio-Neuaufnahmen ihrer größten Hits aus den letzten drei Jahrzehnten. Im exklusiven Interview mit Qobuz zieht Bandmitglied Thomas D eine fantastische Bilanz.

Wir müssen nicht weiter erklären, dass die Geschichte des deutschen Hip-Hop ohne die Fantastischen Vier wohl sehr anders ausgesehen hätte. Als erste Band schafften es die vier Stuttgarter Jungs Michi Beck, Thomas D, Smudo und And.Ypsilon dem Genre eine bundesweite mediale Aufmerksamkeit zu verpassen und es salonfähig zu machen. Seitdem folgten elf Studioalben, mehrere Musikpreise, zwei “MTV-Unplugged-Platten” sowie unzählige Kollaborationen mit Film- und Medienpartner:innen, bevor sie letztes Jahr ihre große Jubiläumstour „Für immer 30 JAHRE LIVE“ feierten und uns damit beweisen, dass das Ende von Fanta 4 noch lange nicht in Sicht ist — ganz im Gegenteil. Wir durften uns ein wenig mit Bandmitglied Thomas D austauschen und erfahren, was ihr Erfolgskonzept ist…

Über 30 Jahre Bandgeschichte — wie fühlt es sich heute an, alte Songs wieder aufzunehmen und in die aktuelle Zeit zu setzen?

Es war sehr spannend mit unserer grandiosen Live-Band ins Studio zu gehen und die alten Songs, die wir in den letzten Jahren sehr häufig live gespielt haben und sich dadurch auch verändert haben und gereift sind, neu aufzunehmen. Wir wollten keine Live-Platte ohne Publikum machen, aber irgendwie auch kein Best Of, sondern einige unserer Lieblingssongs so zeigen, wie wir sie aktuell auch auf der Bühne spielen.

© Mumpi Monsterpics

Habt ihr einen heimlichen All-Time-Favorit unter euren Songs?

Hmm, ich denke MfG ist ein wirklich ganz besonderer Song. Ein Titel, der fast ausschließlich aus Abkürzungen besteht, und so ein ganzes Genre aufmacht und direkt wieder schließt! Das ist wirklich selten!

Nicht nur ihr, sondern auch die Musikindustrie hat sich in den letzten 30 Jahren sehr verändert. Gab es Wendepunkte, die euch besonders geprägt haben?

Ja, natürlich. In den Etappen von der Erfindung der CD (die noch vor unserer Geburtsstunde war) über den digitalen Download bis hin zu den ganzen Streamingdiensten und damit auch anderen Hörgewohnheiten der Konsument:innen und Fans hat sich extrem viel verändert in unserem Leben als Musiker. Auch als Inhaber von Four Music damals bekamen wir die Veränderungen hautnah mit.

Fanta 4 gilt als DER Anfang des deutschen Raps und Sprechgesangs. Heutzutage ist Deutschrap das meist gestreamte Genre überhaupt. Wie tragt ihr eure Rolle als “Väter des Rap” und wie nehmt ihr Deutschrap heute im Gegensatz zu früher wahr?

TD: Urväter des Raps ... so viel Zeit muss sein (lacht). Wir haben als die Fantastischen Vier schon immer unsere eigene musikalische „Schublade“ besetzt, und nachdem die Hip-Hop-Szene in früheren Tagen uns ja auch nicht wirklich mochte, weil wir deren Vorstellungen davon nicht entsprachen, haben wir uns früh davon distanziert. Wir kommen zwar vom Hip-Hop und machen Rap in unserer Muttersprache, aber ich persönlich glaube, wir sind mehr Pop als Hip-Hop. Es ist schön zu sehen, wie viele Spielarten es heute davon gibt. Wobei, manchmal wünsche ich mir sogar noch ein paar mehr, denn oft empfinde ich es noch stark als Adaption des amerikanischen Raps. Dazu möchte ich folgendes sagen: Wenn du Fan bist, machst du was nach, doch wenn du dich selbst und deine Kunst einfließen lässt, machst du etwas ganz Neues auf und erfindest vielleicht sogar ein neues Genre!

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Wie gestaltet sich eure Gruppendynamik und hat sich diese im Laufe der Bandgeschichte verändert?

Der Vorteil ist, dass wir keine normale Band in diesem Sinne sind. Soll heißen, wir sind nicht die klassische Konstellation, die an Instrumenten hängt und vorne steht ein:e Sänger:in, die dann meist auch als Kopf der Band gesehen wird. Wir sind alle gleichberechtigt in allen Entscheidungen. Oft braucht es dann mehr „Hinschmalz“ und viele Gespräche unter uns, aber so wird eben alles demokratisch zusammen entschieden!

Seid ihr mehr der Typ “Songwriter und Studioaufnahmen” oder “Entertainer und Live-Shows”?

Seit einigen Jahren sicherlich letzteres. Wie man merkt, werden die Lücken zwischen den Platten immer größer. Der Entstehungsprozess eines neuen Albums wird schwieriger, je mehr man bereits gemacht hat. Je mehr Songs man geschrieben hat, desto mehr bekommt man das Gefühl, schon alles gesagt zu haben. Die Live-Shows dafür krachen mehr denn je, wir haben letztes Jahr vor den meisten Zuschauer:innen unserer Karriere gespielt. Je älter wir werden, desto mehr hauen wir live auf den Putz! Deshalb denke ich, wir sind Entertainer — und zwar Vollblut-Entertainer, yeah!

Was ist euer Erfolgskonzept?

Würde ich das verraten, müsste ich dich leider verschwinden lassen (lacht), denn das ist ja unser Geheimnis… Spaß bei Seite, wie es die Beatles schon sagten: „Wenn wir unser Geheimnis kennen würden, würden wir 4 Typen anheuern, die die Beatles sind“ — aber ich versuche es euch mal zu erklären. Wir sind erstens nie wirklich zufrieden mit uns selbst, wir sind, wie oben erwähnt, keine klassische Band und außerdem hatten wir die Gnade der frühen Geburt, waren zur rechten Zeit am rechten Fleck mit unseren Songs und hatten viele Kooperationen, die sich als sehr wegweisend und sinnvoll erwiesen haben. Zum Beispiel waren wir die erste Rapband, die ein “MTV Unplugged” aufnehmen durfte oder einmal gab es uns LIVE in 3D in deutschen Kinos zu sehen, etc.

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Wie ist die Idee zu The Liechtenstein Tapes entstanden?

Tja, Schuld ist eigentlich “Bär”, unser Manager, der händeringend immer nach Möglichkeiten sucht, die Fantas da draußen im Gespräch zu halten. Aus diesem Grund dachte er sich, das wäre doch was. Am Anfang waren wir nicht wirklich überzeugt von seinem Plan und dachten am ersten Tag im Studio: “Was machen wir hier eigentlich?” (lacht). Aber jetzt haben wir ja ‘ne grandiose Live-Band und die Stücke sind in den letzten Jahren, teilweise Jahrzehnten, gereift. Wir haben die Stücke sozusagen ins neue Jahrtausend geholt.

10 Studioalben, etliche Live-Aufnahmen, Best-Ofs und Compilations — wie geht die Reise nach The Liechtenstein Tapes weiter?

Ach, ich sag mal zwei Fanta 4-Platten und ‘ne Thomas D-Soloplatte ist noch drin (lacht)! Nachdem Teile der Band bis zum 20-jährigen Jubiläum dachten, die Geschichte geht eh nicht mehr lange, haben wir bei unserem Heimspiel damals vor 66 Tausend Fans dann endlich auch mal begriffen, dass wir das wohl für den Rest unseres Leben machen werden! Mittlerweile ist unser Wahlspruch: FANTA 4 FOREVER BABY — also eines kann ich mit Sicherheit sagen: Es ist noch lange nicht Schluss!

Das Interview wurde geführt von Lena Germann, 12. Januar 2023.

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