Mezzo-Star Joyce DiDonato über die Tricks und Geheimnisse ihres Erfolgs – und das neue Album „Eden“

agen wir es lakonisch: Diese Sängerin gehört zu den zwei, drei Besten der Gegenwart. Als Amerikanerin verstand sie es, Mezzo-Rollen des französischen Gesangsfachs, inbesondere von Hector Berlioz, auf eine Weise zu erobern, die zugleich idiomatisch, also schulgerecht im weitesten Sinne, und doch völlig originell war (und ist). Sie schielte nicht auf Rollen-Vorgängerinnen wie Régine Crespin oder die von ihr bewunderte Janet Baker. „Ich wäre eine verdammt schlechte Imitatorin dieser beiden“, bekennt sie schlicht. Was also ist das Geheimnis dieser Sängerin?

„Ich kann so viel sagen, dass ich immer einen Schritt zurückgegangen bin“, berichtet sie aus London, wo sie gerade eine Serie mit Aufführungen von Händels Theodora beendet hat. Wohlgemerkt nicht als Sängerin der Titelrolle (die von der Sopranistin Julia Bullock gestaltet wurde), sondern in der – nicht unwichtigen – Rolle der Freundin Irène, die auf der Besetzungsliste an zweitunterster Stelle rangiert. Eine Nebenrolle. Liegt darin, in strategischer Bescheidenheit, ihr Trick? Oder nicht doch eher in der Tatsache, dass Joyce DiDonato ihre Karriere dort begann – und immer wieder dorthin zurückgekehrt ist –, wo noch kein Weltstar außer Cecilia Bartoli startete: im Barock?

„Ich glaube, dies wäre eine ziemlich faire Beschreibung der Lage“, befindet Joyce DiDonato nüchtern. „Mein Repertoire habe ich immer nur schrittweise erweitert, und zwar nur vorübergehend“, erklärt sie. „Die barocken Rollen nützen mir, sogar wenn ich Didon in ‚Les Troyens‘ singe. Denn ich kann bei Berlioz genau jene Flexibilität brauchen und gut unterbringen, die ich in ‚Agrippina‘ und später in Mozarts ‚La clemenzo di Tito‘ gelernt habe.“ Und die sie dann in Rossinis La cenerentola weiter verfeinerte.

Das wäre nun in der Tat einigermaßen eine Besonderheit. Große Sänger von einst kamen grundsätzlich von woanders her: aus dem romantischen Repertoire des 19. Jahrhunderts. Sie wandten sich von hier aus, in umgekehrter Richtung, zum Barock. Besagte Cecilia Bartoli, als Alte-Musik-Sängerin, startete zwar wie DiDonato bei älteren Werken, wagte sich indes kaum weiter vor als bis zum Belcanto. Joyce DiDonato hingegen singt sogar reichlich zeitgenössisches Repertoire. Sie ist vielleicht die erste ganz große Sängerin, welche die Mittel des Barocks in die Zukunft projiziert.

Melden Sie sich kostenlos an, um weiterzulesen