Wolf-Ferrari: Talitha Kumi, La passione & 8 Cori

Albumbeschreibung

Ermanno Wolf-­Ferrari (1876-­1948), Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter, dessen Musik sich von beiden Ländern gleichermaßen beeinflusst zeigt, gilt als erfolgreicher Erneuerer der „opera buffa“. Doch seine kompositorischen Anfänge, zu denen diese verdienstvollen Ersteinspielungen zurückführen, liegen im Bereich geistlicher Musik. Die zweiteilige oratorische Arbeit „Talitha Kumi!“ op. 3 auf einen lateinischen Bibeltext aus dem Markus­-Evangelium handelt von der Geschichte der Tochter des Jairus, die von Jesus zum Leben erweckt wird. Wolf-Ferrari vertont sie mit einer wohlklingenden, sehr sanft instrumentierten Musik, die fast das postmoderne Komponieren mit wohltönenden Klangbändern seit den frühen 80er-­Jahren zu antizipieren scheint. Sie kennt kaum prägnante Themen oder ein entwickelndes Formgestalten, wirkt mit ihrem Schönklang und beherrschten Ebenmaß fast schon etwas manieristisch. Es verblüfft, wie genau sich die Musiker diesem Tonfall anpassen und ihn in einer Weise beherrschen, die als „natürliche“ musikalische Äußerung keine Längen aufkommen lässt. Rainer Trost als Evangelist ist geradezu eine Idealbesetzung: Er singt mit schöner Emphase, die im Tonfall und Ausdruck aber immer die Musik nur belebt, ohne ihre gefasste Grundstimmung zu zerstören. In solcher Art gestaltet Friedrich Haider auch die Orchesterbegleitung, die er weniger durch einen dynamischen Impetus differenziert als vielmehr durch Intensität des Spielens. Die vom spanischen Chor vorzüglich gesungenen „Otto cori“ op. 2 sind ein Fund: Gestaltet sind sie (bis auf einen Heine­Text) auf italienische Texte aus der Renaissance. Und seine Musik schmiegt Wolf­-Ferrari hier auch der italienischen Renaissance­-Musik an, ohne dass es zu Stilkopien kommt. Die Musik fasziniert durch eine vertrackte, ununterscheidbare Mischung aus „Alt“ und „Neu“, durch die sie eine völlig eigene und eigenwillige Faktur erhält.
© Schubert, Giselher / www.fonoforum.de